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Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 5. Abhandlung): Platos Staatslehre in der Renaissance — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32880#0011
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Platos Staatslehre in der Renaissance.

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Mehr Schwierigkeiten bereitet ihm clie Weibergemeinschaft
oder, genaner gesagt, die Zeugnngsordnnng der Politie, obw.ohl
er auch sie als alten Brauch mancher Völker, namentlich der
Griecben, zu erweisen sucht. Er hilft sich schließlich nach dem
Grundsatz, daß die beste Deckung der Hieb sei: Bei Plato voll-
ziehe sich alles das in wohlgeordneter, ja feierlicher Weise, was
die gefälschten Priester unserer Zeit — aduterini sacerdotes
sagt er im Doppelsinn des Wortes — auf sakrilegische Art auch
tun. Anderes aber wie der Rechtsanspruch tapferer Krieger auf
die Küsse schöner Mädchen und Knaben sei offenbar scherzhaft
gemeint. Die tugendhafte Verwahrung gegen Plato schien ihm
also für seine Zeitgenossen wenig angehracht.
Um so eifriger wendet sich Ficinus den pädagogischen und
namentlich den religiösen Abschnitten des großen Dialogs zu.
Die Ableitung des Staats von der Gottheit, die religiöse Würde
der Obrigkeit selber ist ihm die Hauptsache; mehr als billig
schiebt sich ihm schon bei diesem Werk Platos der Begriff des
Klerus dem des Philosophenstandes unter. Keinen Gedanken
hat er häufiger ausgesprochen und mannigfaltiger gewendet, als
daß es von jeher der Glauhe aller Völker sei, daß die Gesetze
selber göttlicher Herkunft seien, daß den ältesten Gesetzgebern
unmittelbare göttliche Offenbarung zuteil geworden, daß jedes
Volk sich unter die Obhut eines hesonderen Gottes gestellt und
irn Staatslenker nur seinen Stellvertreter geseh'en habe.5) In
solcher Auffassung des „divus tutelaris“ fühlte sich eben die
italienische Polis ganz in Übereinstimmung mit der griechischen.
Nur die tiefsinnige Lehre Platos vom Verfassungswandel,
mit der auch dieser wieder sich auf den Boden tatsächlicher Ver-
häitnisse begibt, läßt auch Ficinus zum Staatsleben zurück-
kehren. Er hebt hier mit Recht die Originalität dieser Gedanken
gegenüber Aristoteles hervor, wendet sich dann aber so rasch
als möglich von den Einzelerscheinungen der allgemeinen Ur-
sache zu, die ganz außerhalb des Staatslebens liegt, a.ber eine
Anknüpfung an den allgemeinen Weltprozeß bietet. Er begrüßt
den kosmischen Gedanken Platos von den „Krankheiten des Uni-
versums“, den fatalen Gestirnveränderungen, denen auch die
Staaten unterliegen; denn die Astrologie gehörte zu den Grund-
lagen seiner Weltanschauung, bis ihn der Einfluß Picos wankend
machto und zu allerhand halben Einschränkungen ungern genug
5) Z. B. Einleitung zu Polit. VII, Epp. I, p. 652; I, 631; X, 1264.
 
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