Platos Staatslehre in der Renaissance.
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glauben sowohl des V-olkes wie der Dichter. Denn nnr eines
soll triumphieren: „pietas philosophica“.
Einer bestimmten Verfassungsart, etwa dem Königtum, gibt
Ficinus hier so wenig wie Plato einen Vorrang; die Lehre vom
gemischten Staat, die auch er vertritt, ist Gemeingut. Mit einem
Blick auf Athen und einem Seitenblick auf Florenz fühlt er jedoch
auch die Richtigkeit der Bemerkung Platos, daß gerade in einer
verwahrlosten Staatsverfassung die Guten auch zu Allerbesten
und Btervorragendsten werden. Es ist. das ein fast wider-
williges Zugeständnis an die Bedeutung der Individualität, die
in einem zerset.zten Zustand sich am machtvollsten entwickeln
kann, wie es dem Italiener der Renaissance handgreiflich überall
entgegentrat. Aber ein Ruhestand schien diesem zweifelhaften
Vorteil weit vorzuziehen; und es war noch ein weiter Weg, bis
Macchiavelli gerade die Bürgerzwistigkeiten und Verfassungs-
kämpfe, vorausgesetzt, daß sie in öffentlichen Anklagen ihr Ventil
fänden, als den günstigeren Zustand für die Entwicklung eines
kräftigen Staatswesens erklärte. Auch hat keines seiner wirk-
lichen oder vermeintlichen Paradoxa in einer Zeit, die sich aus
ewigen Veränderungen heraus nach Stille und Beharren selmte,
mehr Widerspruch gefunden.
Daß in der Monarchie die beste Gewähr fiir Stetigkeit gegeben
sei, war auch Ficinus nicht zweifelhaft. Schon aus früherer
Zeit rührt ein Brief an den Grafen Eberhard von Württemberg,
der doch nicht mit dem Maß alltäglicher Humanistenschmeichelei
zu messen ist, sondern ehrlicher Überzeugung entstammt. Der
trefüiche Schwabenfürst hatte in Florenz eine bleibende Erinne-
rung hinterlassen. Ficinus hat damals mit seinen wissenschaft-
lichen Begleitern einen eingehenden Briefwechsel, besonders über
philosophische und astronomische Fragen, angeknüpft. Für den
deutschen Humanismus sollten diese Beziehungen Ijedeutsam
werden. Wie warm erinnert sich noch der alte Reuchlin
gegeniiber Leo X. an die Tage, als dessen Vater Lorenzo ihnen
seine Villa Careggi mit ihrem Orangengarten, als er ihnen seine
Bibliothek und seine Kinder gezeigt habe10)! In jenetn Briefe
preist Ficinus das Los des erblichen Fürsten, dem die sichere
Liebe seines Volkes von vornherein gehöre und der sie sich
durcli seine Tugenden immer wieder persönlich verdiene. Das
10) In der Widmung der Schrift De verbo mirifico.
Sitzungst)eric.hte der Heidelb. Akademie, philos.-hist. Kl. 1912. 5. Ahh.
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glauben sowohl des V-olkes wie der Dichter. Denn nnr eines
soll triumphieren: „pietas philosophica“.
Einer bestimmten Verfassungsart, etwa dem Königtum, gibt
Ficinus hier so wenig wie Plato einen Vorrang; die Lehre vom
gemischten Staat, die auch er vertritt, ist Gemeingut. Mit einem
Blick auf Athen und einem Seitenblick auf Florenz fühlt er jedoch
auch die Richtigkeit der Bemerkung Platos, daß gerade in einer
verwahrlosten Staatsverfassung die Guten auch zu Allerbesten
und Btervorragendsten werden. Es ist. das ein fast wider-
williges Zugeständnis an die Bedeutung der Individualität, die
in einem zerset.zten Zustand sich am machtvollsten entwickeln
kann, wie es dem Italiener der Renaissance handgreiflich überall
entgegentrat. Aber ein Ruhestand schien diesem zweifelhaften
Vorteil weit vorzuziehen; und es war noch ein weiter Weg, bis
Macchiavelli gerade die Bürgerzwistigkeiten und Verfassungs-
kämpfe, vorausgesetzt, daß sie in öffentlichen Anklagen ihr Ventil
fänden, als den günstigeren Zustand für die Entwicklung eines
kräftigen Staatswesens erklärte. Auch hat keines seiner wirk-
lichen oder vermeintlichen Paradoxa in einer Zeit, die sich aus
ewigen Veränderungen heraus nach Stille und Beharren selmte,
mehr Widerspruch gefunden.
Daß in der Monarchie die beste Gewähr fiir Stetigkeit gegeben
sei, war auch Ficinus nicht zweifelhaft. Schon aus früherer
Zeit rührt ein Brief an den Grafen Eberhard von Württemberg,
der doch nicht mit dem Maß alltäglicher Humanistenschmeichelei
zu messen ist, sondern ehrlicher Überzeugung entstammt. Der
trefüiche Schwabenfürst hatte in Florenz eine bleibende Erinne-
rung hinterlassen. Ficinus hat damals mit seinen wissenschaft-
lichen Begleitern einen eingehenden Briefwechsel, besonders über
philosophische und astronomische Fragen, angeknüpft. Für den
deutschen Humanismus sollten diese Beziehungen Ijedeutsam
werden. Wie warm erinnert sich noch der alte Reuchlin
gegeniiber Leo X. an die Tage, als dessen Vater Lorenzo ihnen
seine Villa Careggi mit ihrem Orangengarten, als er ihnen seine
Bibliothek und seine Kinder gezeigt habe10)! In jenetn Briefe
preist Ficinus das Los des erblichen Fürsten, dem die sichere
Liebe seines Volkes von vornherein gehöre und der sie sich
durcli seine Tugenden immer wieder persönlich verdiene. Das
10) In der Widmung der Schrift De verbo mirifico.
Sitzungst)eric.hte der Heidelb. Akademie, philos.-hist. Kl. 1912. 5. Ahh.
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