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Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 5. Abhandlung): Platos Staatslehre in der Renaissance — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32880#0018
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18

Eberhard Got.hein :

eben sei es, was Plato gewünscht habe und was Italien vergeblich
ersehne. Es ist derselbe resignierte Ausblick, mit dem auch
Macchiavelli sein Buch vorn Fürsten einschränkt auf den neuen
Gewaltherrscher, der seine nur tatsächliche Herrschaft sichern
muß. Nur hat der große Realist ganz andere Folgerungen ge-
zogen als der kontemplative Philosoph.
So hat denn schließlich Ficinus im Anschluß an Platos
TToXitiköc;, in dem merkwürdigsten seiner polit.ischen Kommentare,
auch nocli eine Lehre vom Königtum entwickelt, die man nach
allem Früheren wohl eine Überraschung nennen darf; hier
ist die Verbindung antiker und mittelalterlicher Denkweise erst
auf ihrem Höhepunkt angelangt.
Man wird den TToXmKoq nicht gerade zu den anziehenden
Dialogen Platos zählen, obwohl es ihm an originellen Gedanken,
an treffend durchgeführten Bildern, an einem kühnen, freilich
auch barocken Mythus nicht fehlt, obwohl er überhaupt zusammen
mit dem Sophisten eine eigenartige Stellung im Denken Platos
einnimmt. Aber es mangelt ihm der künstlerische Reiz des
Gesprächs, der durch eine schematische Logik nicht ersetzt wird.
Er gewinnt allerdings ein höheres, ein persönliches Interesse für
uns, wenn wir in ihm eine Verherrlichung des philosophischen
Freundes Dion sehen, den das Geschick zwar unbillig zurück-
gedrängt habe, der aber trotzdem der berufene Staatslenker sei.
Die Renaissance aber fühlte sich überhaupt dadurch angezogen,
daß hier ein Menschentypus vollkommener Art geschildert werden
sollte, daß der Begriff hier zur Anschauung, zum Individuum wird.
Das tritt bei Ficinus sogleich hervor. Hier handelt es sich
nicht nur um den Staat, sondern um einen Menschen. Plato
sagt zwar ausdrücklich, daß dieser Mensch der Staatsmann sei,
aber keck zugreifend erklärt sein Erläuterer, daß er hier den
„Weltmonarchen“ habe schildern wollen. Im Anfang des Dialogs
ist des öfteren die Rede von der Königskunst, die anknüpfend an
die homerische Bezeichnung des Königs als Völkerhirten von der
allgemeinen Hirtenkunst abgesondert wird. Das muß Ficinus ge-
nügen. Wenn Plato dann weiterhin vom Ivönig ganz absieht,
so scheint Ficinus die Bezeichnung als TToXmKÖq als ,,vir civi-
lis“ nur deshalb gewählt zu sein, weil der ideale Herrscher als
Bürger unter Mitbürgern, mild, nicht durch ein Übermaß ihnen
überlegen erscheinen müsse — also etwa wie die Mediceer in
Florenz auftraten, woraus freilich bald darauf Savonarola schloß',
 
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