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Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 5. Abhandlung): Platos Staatslehre in der Renaissance — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32880#0019
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Platos Staatslehre in der Renaissance.

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daß der Tyrann erst recht das Abbild des scheinheiligen sich
leicht in die Seelen schleichenden Satans sei.
Von dem Weltmonarchen hatte aber anderthalb Jahrhunderte
zuvor der größte Florentiner, den man wohl Plato an die Seite
stellen konnte, Dante, gehandelt; nnd so sehr man in der Er-
kenntnis und Nachahmung des Altertums über ihn hinausgegangen
war, so blieb doch Dante die Grundlage aller italienischen Bil-
dung. Nur gerade seine politischen Ansichten hatten so völlig
Schiffbruch erlitten, hatten so gar nichts mehr mit der Gegenwart
Italiens geniein. Die erblichen Familiengegensätze von Guelfen
und Ghibellinen hatten zwar wieder einige Bedeutung gewonnen,
seitdem sie sich mit dem Gegensatz französischer und spa-
nischer Sympathien verbanden — mit welchen Gegensätzen hätten
sie sich nicht schon einmal verbunden gehabt! — aber mit der
Idee des Weltkaisertums hatten sie nichts zu tun. Man wußte
wohl, daß die Idee der gottgeordneten Weltmenarchie nicht nur
in der theoretischen Schrift, die ihr Dante gewidmet hatte, son-
dern in der ganzen göttlichen Komödie enthalten sei. Landinos
großer Komrrientar, in dem sich das Verhältnis der Florentiner
Platoniker zu Dante ausspricht, zeigt es deutlich. Die italienischen
Juristen freilich hielten an ihr fest uiid ergänzten den Codex
mit den Edikten deutscher Kaiser. Aber das war für sie keine
Überzeugung, sondern eine Hilfskonstruktion, um die fortlaufende
Dauer des Weltrechts festhalten zu können, und in der Praxis
war es ein Hilfsmittel, urn jedem italienischen Kleinfürsten und
jeder unabhängigen Stadtgemeinde die volle kaiserliche Gewalt in
ihrem Machtbereich zuzusprechen. Mit ihnen hatte ein Ficinus
nichts gemein. So war es denn nur Dantes überragende Gestalt
und der dichterische Zauber, den er auch dieser Idee zu leihen
gewußt hatte, was sie lebendig erhielt. Sie war im Leben unter-
gegangen und lebte im Gesang. Aucli war das Ideal an sich
ein so hohes, daß es einen idealistischen Philosöphen, der nach
der praktischen Verwendbarkeit eines Prinzips nicht zu fragen
braucht, wohl zu begeistern vermochte. Sollte es nicht in der
Schatzkammer Platos, diesem Vorrat aller Ideale, auch zu fmden
sein? Man hatte ja schon so viel darin gefunden, was man in
Wirklichkeit erst hineingelegt hatte.
Zwar nennt Ficinus Dantes Namen nicht; aber über die
Herkunft seiner Beweisgründe kann kein Zweifel sein; sogar
noch in der Reihenfolge entsprechen sie denen, welche Dante

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