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Eberhard Gothein :
heit darin setzt, daß der Weltmonarch sie zu zeitlicher Glück-
seligkeit durch die Philosophie leite.
Wo aher fmdet sich ein solcher Monarch? Hier setzte Dantes
gewaltige und gewaltsa.me Geschichtsphilosophie ein: Das große
Gottesgericht des Zweikampfes zwischen Rom und der übrigen
Welt hat entschieden und Gottes endgültigen Ratschluß offenhart;
Rom, das dem Erdkreis den Frieden gebrachf hat damit auch
den Nachweis seiner Herrscherbefähigung geliefert, Gottes Sohn
selber hat durch seinen Tod die Herrschermacht des römischen
Kaisers anerkannt. Auf solche Anschauungen, geschöpft aus
den Grundsätzen des germanischen Rechtsganges, verschmolzen
mit apokalyptischer Geschichtskonstruktion, konnte Ficinus nicht
eingehen. Eine schüchterne Andeutung findet sich in der Re-
merkung: In der Regierung des Augustus sei der Welt ein Ent-
wurf dieses glücklichen Zustandes gezeigt worden. Sonst aber
zieht er aus Plato die an die Stoa anklingende Konsequenz,
daß der wahre Wissende, der die Königskunst besitze, auch der
wahre König sei, der von Gott Erwählte, auch wenn er als
Privatmann lebe. So hat stets auch der Volksglaube gern eine
geheime Vorbestimmung und göttliche Anzeichen angenommen,
wo AVahl oder Zufall den Herrscher bestimmten.
Ficinus macht bereits in der Vorrede die Anwendung hierzu.
Er hat diese Übersetzung Federigo von Urbino gewidmet, in dem
die Zeitgenossen mit seltener Übereinstimmung den idealen
Fürsten der Renaissance erblickten, der, ein geborener Fürst,
sich doch alles selber verdankte, der ein Kriegsheld, Staatsmann,
Gelehrter und Förderer der Künste zugleich war. In der Form
des platonischen Mythus, in der sich Ficinus unablässig, doch
selten mit Glück versuchte, läßt er ihn, den „Orbinus“, durch
Götterschluß berufen sein, den ganzen Orbis zu beherrschen.
Allein die eifersüchtige Juno, die Beherrscherin der dichteren,
erdnahen Atmosphäre, widerstrebt; er muß sich mit einern kleinen
Staat begniigen; aber potentiell ist er doch der erkorene Welt-
herrscher. Ein artiges Humanisten-Kompliment! Denn es war
nun einmal das Schicksal dieser Italiener, immer das Piedestal
selber errichten zu müssen, auf das sie ihre Heroen stellten.
Die Aufgabe, den göttlich bestimmten Monarchen zu erkennen
und zu bestimmen, vollzieht sicli dann ziemlich nüchtern. Sie
ist einem Senat übertragen, der gemeinsam mit dem Monarchen
auch die Gesetze bestimmt. Diese binden den Untertan, werden
Eberhard Gothein :
heit darin setzt, daß der Weltmonarch sie zu zeitlicher Glück-
seligkeit durch die Philosophie leite.
Wo aher fmdet sich ein solcher Monarch? Hier setzte Dantes
gewaltige und gewaltsa.me Geschichtsphilosophie ein: Das große
Gottesgericht des Zweikampfes zwischen Rom und der übrigen
Welt hat entschieden und Gottes endgültigen Ratschluß offenhart;
Rom, das dem Erdkreis den Frieden gebrachf hat damit auch
den Nachweis seiner Herrscherbefähigung geliefert, Gottes Sohn
selber hat durch seinen Tod die Herrschermacht des römischen
Kaisers anerkannt. Auf solche Anschauungen, geschöpft aus
den Grundsätzen des germanischen Rechtsganges, verschmolzen
mit apokalyptischer Geschichtskonstruktion, konnte Ficinus nicht
eingehen. Eine schüchterne Andeutung findet sich in der Re-
merkung: In der Regierung des Augustus sei der Welt ein Ent-
wurf dieses glücklichen Zustandes gezeigt worden. Sonst aber
zieht er aus Plato die an die Stoa anklingende Konsequenz,
daß der wahre Wissende, der die Königskunst besitze, auch der
wahre König sei, der von Gott Erwählte, auch wenn er als
Privatmann lebe. So hat stets auch der Volksglaube gern eine
geheime Vorbestimmung und göttliche Anzeichen angenommen,
wo AVahl oder Zufall den Herrscher bestimmten.
Ficinus macht bereits in der Vorrede die Anwendung hierzu.
Er hat diese Übersetzung Federigo von Urbino gewidmet, in dem
die Zeitgenossen mit seltener Übereinstimmung den idealen
Fürsten der Renaissance erblickten, der, ein geborener Fürst,
sich doch alles selber verdankte, der ein Kriegsheld, Staatsmann,
Gelehrter und Förderer der Künste zugleich war. In der Form
des platonischen Mythus, in der sich Ficinus unablässig, doch
selten mit Glück versuchte, läßt er ihn, den „Orbinus“, durch
Götterschluß berufen sein, den ganzen Orbis zu beherrschen.
Allein die eifersüchtige Juno, die Beherrscherin der dichteren,
erdnahen Atmosphäre, widerstrebt; er muß sich mit einern kleinen
Staat begniigen; aber potentiell ist er doch der erkorene Welt-
herrscher. Ein artiges Humanisten-Kompliment! Denn es war
nun einmal das Schicksal dieser Italiener, immer das Piedestal
selber errichten zu müssen, auf das sie ihre Heroen stellten.
Die Aufgabe, den göttlich bestimmten Monarchen zu erkennen
und zu bestimmen, vollzieht sicli dann ziemlich nüchtern. Sie
ist einem Senat übertragen, der gemeinsam mit dem Monarchen
auch die Gesetze bestimmt. Diese binden den Untertan, werden