Metadaten

Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 8. Abhandlung): Das Recht als Menschenwerk und seine Grundlagen — Heidelberg, 1912

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32883#0013
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Das Recht als Menschenwerk und seine Grundlagen

13

selber als „principium motionis“ nncl „ipsum immotum“ zu
wirken. Die Umständlichkeit der Defmition mag entschuldigem,
daß das Wort „Wille“ in neuerer Zeit nicht selten in anderen,
der hier angenommenen näher- oder fernerstehenden, Bedeu-
deutungen gebraucht worden, und dadurch Unklarheit in den
Streit um das eigene Ich gekommen ist.
Der Ivampf der deterministischen wider die indeterministische
Weltanschauung ist alt, oft lebhaft geführt und dann wieder aus-
gesetzt, bald wegen vermeintlicher Siegesgewißheit auf der einen
oder der anderen Seite, bald weil man das Problem als unlösbar
beiseite schieben, oder auch durch freundnachbarliche Vermitt-
lung zu einer Ouasilösung bringen zu können hoffte. So wenig
der Erfolg dem entsprochen hat, ist das Mühen doch nicht resultat-
los verblieben; iiber gewisse Punkte dtirfte nicht mehr zu streiten
sein: wissenschaftlich ist zurzeit das Dasein unseres Willens
so wenig zu erweisen wie das Nichtdasein: also stehen Glauben
und Glauben einander gegenüber. Und zwar unversöhnlich:
entweder ist alles prädestiniert oder es ist nicht alles präde-
stiniert; und entweder steht das ganze menschliche sogenannte
Handeln. unter dem Zwange eines „Muß“ oder es steht nicht
unser ganzes Handeln unter diesem „Muß“; kürzer gesagt, ent-
weder sind wir Marionetten oder wir sind keine Marionetten.
Absolute Geltung des „tertium exclusum“, wonach allein
schon alle Versuche, einen Ausgleich der Meinungen herbeizu-
führen, eitel und fruchtlos erscheinen dürften.
Über zweierlei aber sollte doch Einigung mögiich sein. In
dem Streite stehen Determinist und Indeterminist einander nicht
mit ganz gleichen Waffen gegenüber. Besser daran ist der In-
determinist, insofern er Konzessionen machen kann, die dem
Deterministen versagt sind. Wir lassen dem Kausalnexus weiten
Spielraum in der Welt und sehen im Menschenleben eine ausge-
dehnte Herrschaft des Muß, zumal des negativen, des Unmög-
lichen, wollen gerne über die Grenzlinien verhandeln und lassen
uns genügen, daß nicht alles prädestiniert, der Mensch nicht
durchweg gebunden ist. Anders der Determinist; gibt er ein
unprädestiniertes Geschehen, eine wirkliche, vom Mnß nicht er-
zwungene Idandlung des Menschen zu, so verleugnet er sein
Prinzip, und mit diesem bricht seine ganze Lehre haltlos zu-
sammen; auch er kann dann nur noch, wie wir Indeterministen,
über die Quantität, den Umfang des dem freien Geschehen und
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften