Metadaten

Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 8. Abhandlung): Das Recht als Menschenwerk und seine Grundlagen — Heidelberg, 1912

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32883#0015
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Das Recht als Menschenwerk und seine Grundlagen.

15

hunderts haben unser Auge geschärft für die Erkenntnis der
kleinsten und der größten Dinge in dem vom Lichtäther und der
Elektrizität durchsetzten Raume: wir denken uns das „Atom“
als grobes Gebilde, zu welchem Millionen der in stets schnellster
Eigenbewegung kreisenden Minima sich zusammengeballt haben,
und vermuten neben dem System der von der Milchstraße um-
schlossenen Sterne das Dasein von unzählig vielen, diesem
gleichen Welten. Und alle diese gestellt unter dasselbe starre,
unerbittliche Gesetz, kein Stauhfädchen und kein Bakterion, das
nicht prädestiniert, kein Ivathoden- oder Radialstrahl, dem nicht
sein Weg unabänderlich gewiesen wäre; nirgends wirklich neues,
alles nur Erfüllung der ungeheuren, das All beherrschenden Prä-
destination. Und wenn uns aus dem All eine fiir uns schlechthin
unbegreifliche Macht der Bewegung und der Ordnung entgegen-
leuchtet, so taucht ungerufen die Frage auf, warum hat diese
Energie aller Energien ihr Werk so traurig öde und langweilig
geschaffen? Das „qua ex causa?“ und „cui bono?“ mögen die
Gläubigen des Kausalgesetzes beantworten.
Doch werfen wir noch einen Blick auf das uns zunächst-
liegende: ganz besonders unfreundlich wäre die Natur, ich ge-
brauche diesen Namen nur in Ermangelung jedes besser bezeich-
nenden, mit uns armen Menschenkindern umgesprungen. Auch
wir sind der Prädestination ausnahmslos unterworfen, in unserm
ganzen Sein und Gebaren alles durch einen uns fremden Wilien
fest geregelt, dem unwiderstehlichen Muß unterworfen. Wir
selber also jeder Aktivität ermangelnde Passiven, Marionetten,
die tanzen, wie sie eben müssen. Unser ganzes Denken und
Handeln, überhaupt Tun und Treiben, in Wirklichkeit, soweit wir
darin Aktiva sehen, nicht unser, nur Passiva, für welche die
Sprache keine Worte besitzt, Bewegungen, die der uns durch-
dringende Weltstrom erzwingt, und die er uns und den anderen
nur eben als unsere Bewegungen erscheinen läßt. Aber wenn
ich in der Tat nichts anderes hin als das Medium, durch welches
eine mir fremde Macht ihren Willen verwirklicht, selber keine
Macht habe üher die mir scheinbar angeborenen geistigen und
körperlichen Kräfte, nicht selber handle oder auch nur denke,
wie steht es dann mit dem Empfmden? und dem Träumen? Das
Empfinden sinnlicher Eindrücke, auch des Traumbildes, möchte
auch dem reinen Passivum noch zugestanden werden (beiiäufig,
daß das Begreifen der Empfmdung nicht viel leichter sein dürfte
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften