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Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 8. Abhandlung): Das Recht als Menschenwerk und seine Grundlagen — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32883#0024
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E. I. Bekker :

er nicht. selten in die Irre gegangen ist. Trieb zur Wahrheit:
wissen wollen wir, was wirklich ist, nicht bloß, wie andere das
Wirkliche sich vorgestellt. Zugleich regt sich ein selbständiger
Skeptizismus: überzeugt uns, sonst forschen wir selber nach
dem, wovon wir euch überzeugen können!
Auch der Glanben pflegt sich allmählich zu entwickeln, nur
ausnahmsweise springt er bevorzugten Glaubensfähigen wie ein
Funke ins Herz. Neben dem Erwachsen steht bei dem Glauben
oft. noch langsameres Absterben.
Ein Vorgang, der sich hei dem Wissen nicht in gleicher
Weise wiederholen kann; ein Wissen mag verloren gehen, aber
niemals als falsch, unwahr erwiesen werden; gelänge dieser Be-
weis, so ergäbe er nur, daß auch früher kein Wissen bestanden
hätte, irrtümliches Glauben für Wissen gehalten worden wäre.
Dem schrittweisen Werden, und beim Glauben auch Entwerden,
entspricht die Annahme von Zwischenstufen bei beiden; es gibt
Halbwissen, Halbglauben und beliebige andere Bruchteile, die
selbstverständlich nicht genau gegeneinander abzugrenzen sind.
Grenzstreifen, die ohne haltbare Unterbrechung zum Nicht-
wissen und zum Nichtglauben hinabgleiten. Wieder ein Etwas,
das die Beachtung cler Juristen fordert, da auch auf unserm
Gebiet die gleitenden Übergänge, die das ,,ius incertum“ bilden,
nicht zu beseitigen sincl.
Alle Objekte des Wissens sind auch Objekte des Glaubens,
es kann nichts Unglaubliches gewußt werden, docli ist die Um-
kehrung unzulässig, der Glauben keineswegs angewiesen nur
auf Wissensobjekte. Hier schneidet die „ars nesciendi“ ab, clenn
sie zeigt nicht hloß, was wir zurzeit noch nicht erkannt haben
und folglich nicht wissen, sondern außer diesem auch das, was
wir als menschlicher Denkkraft überhaupt unerreichbar zu be-
trachten und zu behandeln haben. Doch mag zugegeben werden,
daß auch hier wieder die Grenzlinie zwischen dem „non cogni-
tum“ und dem „non cognoscendum“ kaum sicher zu ziehen ist.
Zweifellos dagegen wieder, daß so Wissen wie Glauben
keinerlei Einfluß auf ihre Objekte üben; diese bleiben gänzlich
unverändert, so, wie sie gewesen und wie sie jetzt sein würden,
wenn das Wissen oder Glauben nicht stattfände. ßeide wirken
nur zurück auf den, der weiß, und auf den, der glaubt. Uranus
hat an seinem Laufe nichts geändert, seitdem er ent.deckt
worden, und die Behauptung, daß Menschen jetzt vermöchten,
 
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