Metadaten

Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 8. Abhandlung): Das Recht als Menschenwerk und seine Grundlagen — Heidelberg, 1912

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32883#0034
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
34

E. I. Bekker :

tinente zu allen Zeiten auf unserer Erde, sondern auch für die
hegabteren und uns sicherlich zum Teil geistig iiberlegenen
Bewohner anderer Planeten der Hunderttausende oder gar Mil-
lionen von Fixsternen, die neben der Sonne unser Weltensystem
(vielleicht gar nicht einmal das einzig vorhandene) durch-
schweben. Aber gesetzt auch, daß es ein solches Naturrecht
gebe, so wissen wir zweifellos von ihm nichts und sind daruin
hefugt, bei der Betrachtung desjenigen Rechts, von dem wir
wissen, dies Ungewußte und Ungeglaubte außer Ansatz zu
lassen. Ganz gleicher Weise, wie wir zu der das All be-
herrschenden Prädestination und dem Marionettentum der Men-
schen stehen. Auch hier Glauben wider Glauben; aber auch hier
erscheint uns das, was man uns zu glauben zumutet, so un-
geheuerlich und so fernliegend von dem allen, das wir zu wissen
vermeinen, daß wir in unserm vielleicht nur „Traumleben“, auf
die uns angesonnenen eisernen Bande der Prädestination durch-
weg keine Rücksicht nehmen, sondern mit dem aus der Freiheit
unseres Willens geschöpften stolzen Ichgefühl das Leben durch-
wandern, in voller Übereinstimmung mit den Erscheinungen,
welchen wir im täglichen Leben bei der Rechtspflege und jeder
gelehrten Forschung begegnen.
Das Recht ist Menschenwerk: damit fällt der blendende
Heiligenschein, der drohß das Recht zu einem Objekt des
Glaubens zu machen, während es doch durchweg ein Objekt des
Wissens zu sein hat. Zugleich kommt der das Rechtsgebiet un-
nütz beschränkende Irrglaube in Wegfall, daß jede Rechtsver-
letzung einen Verstoß wider die Gebote der Religion oder doch
mindestens der Moral in sich scliließen müsse: wir sehen, wie
Tausende von Rechtsverletzungen begangen werden ohne jede
Spur von Schuld.
Verliert das Recht mit diesem Nimbus aber nicht aucli
etwas von seinem Ansehen? in den Augen gewisser Volks-
schicliten vielleicht. Doch erinnere man sich, daß unter den
Rechten hier auch die Ordnungen der verschiedensten Verbände
auf allen Entwicklungsstufen verstanden sind. Die Satzungen
der Camorra oder der russischen Anarchistengruppen (die auch
schon manches „Todesurteil“ nicht hloß gefällp sondern auch
vollstreckt haben), der Kannibalenstämme oder der staatsgefähr-
lichenTrusts liaben auch bisher schon bei den Draußenstehenden
wenig Ansehen genossen; und aligemein wird sich sagen lassen.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften