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Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 8. Abhandlung): Das Recht als Menschenwerk und seine Grundlagen — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32883#0038
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E. I. Bekker :

diese können versagen. Ohne eigene Macht und ohne äußeren
Schutz iührt das Recht nur nocli ein Schattendasein: gegenüber
solchem, eigentlich schon nicht mehr existierendem Rechte gilt
das „Macht geht vor Recht“, während das lebenskräftige Recht
auch dem mächtigen Unrecht gegenüber sich bewähren muß.
Aus dem Staatenleben kennen Avir Revolutionen u^d Staats-
streiche; wo diese gelangen, ist anzunehmen, daß dem ge-
stürzten Rechte die gesunde Lebenskraft bereits ausgegangen
war. Das Fürstenhaus, das sich als den treuesten Hüter der
Legitimität fühlte, liat kein Bedenken getragen, eine Ivaiser-
tochter mit dem aus niederstem Boden emporgeschossenen, aber
freilich auch genialsten Usurpator zu vermählen.
Ich breche ab, um nicht ins Uferlose zu geraten. Die
Stromschnelle der Entwicklung, in der zurzeit fast das ganze
Menschengeschlecht sich befmdet, Avar eingeleitet durch eine
geistige Bewegung, die in mannigfaltigen Windungen und Wand-
lungen angehalten hat bis auf unsere Tage; und auch diese wohl
noch um ein gut Stück überdauern wird. Verblieben aber ist
der Grundzug: Vordringen des Wissens und Verdrängung des
Glaubens aus den Gebieten, die dem Wissen zugänglich er-
scheinen. Daher die kolossalen äußerlichen Erfolge, die dann
aucli wieder auf das Geisteslehen zurückgewirkt haben. Ivinder
dieser Periode sind die Reform der Medizin und die langsam,
aber doch unaufhalthar nachfolgende Refonn der Jurisprudenz.
Nur ein Stück aus dieser haben wir relativ genau behandelf, die
Beseitigung der aus vagen Ideen geschöpften naturrechtlichen
Lehren und deren Ersetzung durch die aus der Erfahrung ge-
wonnenen Bilder der in Wirklichkeit bestehenden Rechte. Wir
versagen uns jedes nähere Eingehen auf die dem Thema zu-
nächst gelegenen Fragen nach den Gegensätzen von Rechts-
wissenschaft und Rechtskunst und von Wahrheiten und Dogmen
in der Rechtslehre. Selbstverständlich hiernach, daß wir an alle
die praktischen Diiige, deren Gestaltung noch mehr von den be-
sonderen mit Zeit und Ort gegebenen Umständen, ats durch die
allgemeine Natur und Beschaifenheit des Rechts bedingt ist,
wie die Reformen der Gerichtsverfassungen und der Prozeß-
ordnungen, die Erziehung und Auswahl des juristischen Per-
sonals, Stellung der Richter zu den Aufgaben der Auslegung
und der Lückenfüllung, erst recht fern halten müssen. Dagegen
möchte icli eine andere praktische Lehre, die unsere Betrach-
 
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