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Windelband, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 9. Abhandlung): Über Sinn und Wert des Phänomenalismus: Festrede — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32884#0007
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Über Sinn nncl Wert cles Phänomenalismus.

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eintrittj nicht gewußt wird, aber unbegreiflich, daß im Bewußt-
sein etwas sein soll, was nicht auch sonst ist. Und wenn man
wahr die Vorstellung nennt, die der Sache gleich ist, falsch aber
die, deren Inhalt kein Sein zukommt, so fragt es sich unter
diesen Vora.ussetzungen, wie überhaupt ein Nicht-seiendes ge-
dacht werden kann. In dieser Weise ist die Problematik des
Irrtums in den eleatischen Begriffen angelegt und in den pla-
tonischen Dialogen, Theaetet und Sophist, aufgerollt worden.
Auch wenn man solchen dialektischen Aporien nicht nach-
geht, muß eben doch zugestanden werden, daß es nicht nur
in den Irrtümern, sondern auch in den nach ihrem Wahrheits-
wert überhaupt nicht betonten Vorstellungsverläufen, wie den
Phantasien, Bewußt-seiendes gibt, dem kein sonst Seiendes ent-
spricht: und wenn Wahrheit jene Gleichhheit zwischen Vor-
stellung und Sein bedeuten soll, so hat alle Erkenntnislehre die
Kriterien anzugeben, nach denen zu entscheiden ist, welchen Be-
wußtseinsinhalten Realität in dem vorausgesetzten Sinne zu-
kommt und welchen nicht. Denn diese Unterscheidung muß bei
kritischer Betrachtung auch in diejenigen Vorstellungen hinein-
getriehen werden, welche als wissenschaftlich begründet und
hefestigt eine allgemeine und notwendige Geltung gegenüber den
Meinungen der Individuen zu beanspruchen haben. Es zeigt
sich, daß auch die Notwendigkeit des Vorstellens, welche die
Allgemeingültigkeit und Gegenständlichkeit, die „Ohjektivität“
des Inhalts ausmacht, vollkommen vorhanden sein kann, ohne
dessen Ilealität zu gewährleisten. Ja, es kann die Frage auf-
geworfen werden, oh denn jenes Sein, dem das AVissen gleichen
soll, nicht selbst lediglich als Bewußtseinsinhalt zu denken sei,
so daß mit völliger Umkehrung des zunächst gemeinten Ver-
hältnisses das Bewußtsein sich als der Oberbegriff und jenes
„Sein“ nur als eine Art seines Inhaltes herausstellte.
Aber wie man auch zu diesen Extremen oder zwischen ihnen
Stcliung nehme, mit anderen Worten, wie man auch den meta-
physischen Sinn der Wahrheit bestimme, — auf alle Fälle zeigen
die Wissenschaften vom Wirklichen selbst, daß in dessen Er-
kenntnis die Momente, denen wir auch ein Sein zuschreiben zu
dürfen glauben, von anderen Bestimmungen zu scheiden sind, die
zwar ebenfalls allgemein und notwendig vorgestellt werden, aber
auf den Wert der Abbildlichkeit dem Seienden gegenüher keinen
Anspruch hahen, Für diese letzteren Bestimmungen ist von
 
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