W. Windelbancl.
den Griecheii; diesen Augenmenschen, denen alles Erkennen ein
Schauen war, der optische Tropus des Scheinens eingeführt
worden: xa qpouvöjueva. Erscheinung in diesem philosophischen
Sinne des Worts heißt also ein Erkenntnisinhalt, der zwar objektiv,
d. h. allgemein und notwendig gilt, aber nicht ein Abbild des
Seienden ist: wie etwa das Bild im Spiegel, das zwar notwendig
an seiner Stelle gesehen wird, aber nichts dort Wirkliches be-
deutet. Hierin besteht der oft betonte Unterschied von Erschei-
nung und Schein. Gemeinsam ist beiden die Unwirklichkeit
des Vorgestellten: aber Schein besagt das zufällig und individuell
Erlebte und Eingebildete, Erscheinung dagegen etwas notwendig
und allgemein Gedachtes. Erscheinung, kann man sagen, ist ob-
jektiver Schein. Deshalb hielt es Demokrit für eine der wich-
tigsten Aufgaben der wissenschaftlichen Theorie, diese Notwendig-
keit der Erscheinungen zu begreifen, und bezeichnete es sehr
glücklich als ein öiaouAeiv xd cpaivopeva.
Dabei berühren wir schon die Zeit, wo der Begriff der Er-
scheinung in den Gesichtskreis des wissenschaftlichen Denkenfe
eingetreten ist: es war der bedeutsame Moment, als sich aus
der Zweifelarbeit der Sophistik nebeneinander die beiden großen
rationalistischen Systeme erhoben: das demokritische und das
platonische. Dort wird dem eief) öv, hier dem övtox; öv oder der
oucria das Sinnenreich der qpaivöpeva gegenühergestellt, dem damit
eine sekundäre, minderwertige Wirklichkeit zukonnnen soll,
während das wahrhaft Wirkliche in den ursprünglichen Formen,
den erxppaia oder iöeai, bei Demokrit in den Atomen, bei Platon
in den urbildlichen Begrift’en gesucht wird.
Von diesen beiden auf so weite Strecken parallelen und
schließlich doch so gegensätzlichen Lehren ist der Phänomena-
lismus in dem Sinne ausgegangen, daß die sinnlichen Bestand-
teile der menschlichen Weltvorstellung nur als Erscheinungen
angesprochen werden, dagegen die rationalen Momente als über-
einstimmend mit dem AVesen der Wirklichkeit gelten dürfen.
Wir können das als partiellen Phänomenalismus bezeichnen.
Seine historische Voraussetzung war bei Platon wie bei Demokrit
die AAMhrnehmungslehre von Protagoras, die als Theorie von
der Subjektivität oder Intellektualität der Sinnesqualitäten bis
auf den heutigen Tag bekannt und — in Geltung ist. Denn sie
ist seit Demokrit für die naturwissenschaftliche Weltvorstellung
maßgehend geworden und gehlieben, zumal seitdem sie in der
den Griecheii; diesen Augenmenschen, denen alles Erkennen ein
Schauen war, der optische Tropus des Scheinens eingeführt
worden: xa qpouvöjueva. Erscheinung in diesem philosophischen
Sinne des Worts heißt also ein Erkenntnisinhalt, der zwar objektiv,
d. h. allgemein und notwendig gilt, aber nicht ein Abbild des
Seienden ist: wie etwa das Bild im Spiegel, das zwar notwendig
an seiner Stelle gesehen wird, aber nichts dort Wirkliches be-
deutet. Hierin besteht der oft betonte Unterschied von Erschei-
nung und Schein. Gemeinsam ist beiden die Unwirklichkeit
des Vorgestellten: aber Schein besagt das zufällig und individuell
Erlebte und Eingebildete, Erscheinung dagegen etwas notwendig
und allgemein Gedachtes. Erscheinung, kann man sagen, ist ob-
jektiver Schein. Deshalb hielt es Demokrit für eine der wich-
tigsten Aufgaben der wissenschaftlichen Theorie, diese Notwendig-
keit der Erscheinungen zu begreifen, und bezeichnete es sehr
glücklich als ein öiaouAeiv xd cpaivopeva.
Dabei berühren wir schon die Zeit, wo der Begriff der Er-
scheinung in den Gesichtskreis des wissenschaftlichen Denkenfe
eingetreten ist: es war der bedeutsame Moment, als sich aus
der Zweifelarbeit der Sophistik nebeneinander die beiden großen
rationalistischen Systeme erhoben: das demokritische und das
platonische. Dort wird dem eief) öv, hier dem övtox; öv oder der
oucria das Sinnenreich der qpaivöpeva gegenühergestellt, dem damit
eine sekundäre, minderwertige Wirklichkeit zukonnnen soll,
während das wahrhaft Wirkliche in den ursprünglichen Formen,
den erxppaia oder iöeai, bei Demokrit in den Atomen, bei Platon
in den urbildlichen Begrift’en gesucht wird.
Von diesen beiden auf so weite Strecken parallelen und
schließlich doch so gegensätzlichen Lehren ist der Phänomena-
lismus in dem Sinne ausgegangen, daß die sinnlichen Bestand-
teile der menschlichen Weltvorstellung nur als Erscheinungen
angesprochen werden, dagegen die rationalen Momente als über-
einstimmend mit dem AVesen der Wirklichkeit gelten dürfen.
Wir können das als partiellen Phänomenalismus bezeichnen.
Seine historische Voraussetzung war bei Platon wie bei Demokrit
die AAMhrnehmungslehre von Protagoras, die als Theorie von
der Subjektivität oder Intellektualität der Sinnesqualitäten bis
auf den heutigen Tag bekannt und — in Geltung ist. Denn sie
ist seit Demokrit für die naturwissenschaftliche Weltvorstellung
maßgehend geworden und gehlieben, zumal seitdem sie in der