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Josef Partsch:
actio directa und contraria walirscheinlich mit der byzantinischen
ultro citroque obligatio zusammenhängt, der Vorläuferin des
modernen contractus bilateralis.
Wie sah im übrigen das klassische Edikt aus ? —■ Es bestehen
erhebliche Bedenken gegen die Vollständigkeit der Überlieferung
die bislier nicht gewürdigt wurden. ,,Si quis alterius negotia
gessit“, lautet der justinianische Text. Im Ulpiankommentar
ist deutlich hinter der Erläuterung zu alterius eine Streichung.
Denn § 4 beginnt: pupillus sane si negotia gessit . . . ; da alle Text-
änclerungen, welche clie gestio des pupillus hier eliminieren wollten 1,
ebenso willkürlich sind wie die Annahme einer grundlosen Ein-
setzung des Satzes durch späte Juristen oder die Kompilatoren 2,
1 Cuiacius, observ. 13, 7. Comment. in lib. II resp. Pap. ad 1, 31
de neg. gest. § tutoris in lib. IX Paul. ad ed. ad. 15 de neg. gest. in lib. III
Dig. Salv. Jul. ad. 1, 6 de neg. gest. möchte pupilli lesen, zustimmend Segre
a. O. p. 304. Aber wenn auch diese Emendation den Satz in den Zusammen-
hang mit dem Kommentarstück über den Begriff „alterius“ einfügen würde,
das durch den überlieferten Text anscheinend unterbrochen wird, so ist
die Emendation doch bedenklich. Sie beseitigt ja nicht das ,,sane“. Über
dieses kam auch die ähnliche Emendation des Thomasius (de pseudoprivi-
legio pupilli conventi contraria actione negotiorum gestorum (Diss. Academ. II
Diss. 40, Halle 1774 p. 152) nicht hinweg: pupillus sane si quis eius negotia
gesserit. Wie oben auch Peters, Sav. Zeit. 32, 260, der aber die Lücke
vor ,,sane“ anders füllt.
2 So Pacchioni, Trattato 103. Pacchioni hat die Frage gestellt, ob
der Text wirklich klassisch ist: pupillus sane si negotia gesserit, post rescrip-
tum Divi Pii etiam conveniri potest in id quod factus est locupletior: agendo
autem compensationem eius quod gessit patitur. Pacchioni meint (p. 101),
die Klassizität der Stelle anzweifeln zu können, weil die Möglichkeit der
tutoris auctoritas und andererseits jenes Reskript des Antoninus Pius nur
auf die obligationes ex contractu, nicht auf die obligationes ex re gehe. Aber
damit ist doch wohl wenig gesagt, wenn selbst Salvius Julianus noch fiir die
Bereicherungskondiktion gegen den pupillus von der tutoris auctoritas spricht
(D. 26, 8, 13). Da eine zivile Ivlage nicht zum Ediktstexte erläutert wird,
könnte immerhin die Fassung der Stelle Idassisch sein. Seltsam und nur auf
die Streichung des Yorhergehenden zurückzuführen bleibt allerdings das
„etiam“ wie das ,,sane“. Wenn man die Worte, wie ich möchte, für echt
hält, kommt man mit Notwendigkeit auf den Gedanken, daß vorher gestanden
haben muß: der pupillus als dominus negotii kann nicht mit der ediktalen
actio negotiorum gestorum haftbar werden. Dieser Satz fiel, weil er für das
byzantinische Reclit nicht mehr zutraf. Dieses bezieht das Edikt ja nicht
mehr auf die negotia absentis. Ich meine also, daß die Stelle, soweit sie sich
auf die actio directa gegen den pupillus gestor bezieht, klassisch ist. Die
dogmatische Auffassung Pacchionis ist kaum treffend. Er erachtet mit
der Stelle eine volle Haftung des pupillus für angerichteten Schaden durch-
Josef Partsch:
actio directa und contraria walirscheinlich mit der byzantinischen
ultro citroque obligatio zusammenhängt, der Vorläuferin des
modernen contractus bilateralis.
Wie sah im übrigen das klassische Edikt aus ? —■ Es bestehen
erhebliche Bedenken gegen die Vollständigkeit der Überlieferung
die bislier nicht gewürdigt wurden. ,,Si quis alterius negotia
gessit“, lautet der justinianische Text. Im Ulpiankommentar
ist deutlich hinter der Erläuterung zu alterius eine Streichung.
Denn § 4 beginnt: pupillus sane si negotia gessit . . . ; da alle Text-
änclerungen, welche clie gestio des pupillus hier eliminieren wollten 1,
ebenso willkürlich sind wie die Annahme einer grundlosen Ein-
setzung des Satzes durch späte Juristen oder die Kompilatoren 2,
1 Cuiacius, observ. 13, 7. Comment. in lib. II resp. Pap. ad 1, 31
de neg. gest. § tutoris in lib. IX Paul. ad ed. ad. 15 de neg. gest. in lib. III
Dig. Salv. Jul. ad. 1, 6 de neg. gest. möchte pupilli lesen, zustimmend Segre
a. O. p. 304. Aber wenn auch diese Emendation den Satz in den Zusammen-
hang mit dem Kommentarstück über den Begriff „alterius“ einfügen würde,
das durch den überlieferten Text anscheinend unterbrochen wird, so ist
die Emendation doch bedenklich. Sie beseitigt ja nicht das ,,sane“. Über
dieses kam auch die ähnliche Emendation des Thomasius (de pseudoprivi-
legio pupilli conventi contraria actione negotiorum gestorum (Diss. Academ. II
Diss. 40, Halle 1774 p. 152) nicht hinweg: pupillus sane si quis eius negotia
gesserit. Wie oben auch Peters, Sav. Zeit. 32, 260, der aber die Lücke
vor ,,sane“ anders füllt.
2 So Pacchioni, Trattato 103. Pacchioni hat die Frage gestellt, ob
der Text wirklich klassisch ist: pupillus sane si negotia gesserit, post rescrip-
tum Divi Pii etiam conveniri potest in id quod factus est locupletior: agendo
autem compensationem eius quod gessit patitur. Pacchioni meint (p. 101),
die Klassizität der Stelle anzweifeln zu können, weil die Möglichkeit der
tutoris auctoritas und andererseits jenes Reskript des Antoninus Pius nur
auf die obligationes ex contractu, nicht auf die obligationes ex re gehe. Aber
damit ist doch wohl wenig gesagt, wenn selbst Salvius Julianus noch fiir die
Bereicherungskondiktion gegen den pupillus von der tutoris auctoritas spricht
(D. 26, 8, 13). Da eine zivile Ivlage nicht zum Ediktstexte erläutert wird,
könnte immerhin die Fassung der Stelle Idassisch sein. Seltsam und nur auf
die Streichung des Yorhergehenden zurückzuführen bleibt allerdings das
„etiam“ wie das ,,sane“. Wenn man die Worte, wie ich möchte, für echt
hält, kommt man mit Notwendigkeit auf den Gedanken, daß vorher gestanden
haben muß: der pupillus als dominus negotii kann nicht mit der ediktalen
actio negotiorum gestorum haftbar werden. Dieser Satz fiel, weil er für das
byzantinische Reclit nicht mehr zutraf. Dieses bezieht das Edikt ja nicht
mehr auf die negotia absentis. Ich meine also, daß die Stelle, soweit sie sich
auf die actio directa gegen den pupillus gestor bezieht, klassisch ist. Die
dogmatische Auffassung Pacchionis ist kaum treffend. Er erachtet mit
der Stelle eine volle Haftung des pupillus für angerichteten Schaden durch-