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Josef Partsch:
reddere iudicium). Der Grund dafür ist allerdings völlig dunkel.
Liegt er darin, daß Servius überhaupt noch keine actio negotiorum
gestorum contraria kannte P 1 — Das ist wenig wahrscheinlich
und wird insbesondere durch das argumentum e silentio aus Cic.
Top. 17, 66 keinesfalls erwiesen 2.
Oder sollen die Gefangenen der Lusitani in captivitate hostium
und daher wegen mangelnder Rechtsfähigkeit unfähig gewesen
sein, die prätorische oder zivile Klage aus der negotiorum gestio
zu erwerben ? Das ist auch mit Bestimmtheit abzulehnen. Denn
wir dürfen nach den Nachrichten der Historiker kaum glauben,
es habe am Ende der Republik noch echtes postliminium gegen-
über den Lusitanen bestanden 3. Ferner ist es heute so gut wie
sicher, daß in Rom am Ende der Republik nicht anders als in den
gesamten hellenistischen Staaten die Anschauung lebendig war,
daß der Bürger in captivitate hostium nur in dem von Mitteis
überzeugend dargelegten Rechtszustande schwebenden Personen-
rechts sich befand und nicht durch die Gefangennahme rechtlos
ist 4. Meines Erachtens ist es am wahrscheinlichsten, claß Servius
eben die ediktale negotiorum gestio auf diesen Fall nicht an-
wenden konnte: entweder, weil man es damals noch mit dem
Standpunkte ernst nahm, daß die negotiorum gestio im Sinne
des Ediktes eine Mehrheit von Verfahren vor römischen Juris-
diktionsbeamten treffen mußte, oder, was mir wahrscheinlicher
ist, weil im vorliegenden Falle die beiden entlassenen Gefangenen
nicht ein fremdes Geschäft geführt, sondern im eigenen Interesse
das Geld aufgebracht hatten, da ja eine Forderung cler Lusitani
gegen den Durchgänger augenscheinlich niclit angenommen wird
und selbst dann die beiden aus eigenem Interesse, um frei zu
kommen, gezahlt hätten.
Dieser Rückgriff aus nützlicher Verwendung tritt endlich als
actio negotiorum gestorum utilis sehr deutlich bei der Ausgleichung
der Haftung mehrerer Mitvormünder hervor. Wenn ein tutor
als Gesamtschuldner in Haftung genommen wird und aus dem
Verschulden eines anderen tutor zahlen muß, gibt ihm das viel-
besprochene Reskript des Kaisers Antoninus Pius für den Fall,
1 So die bei Karlowa (R.-Geschichte 2, 760) abgelehnte Hvpothese
bei Pacchioni, Gestione d’affari 20 ff., bull. 9, 55 ff.
2 Vgl. oben S. 30 Anm.
3 Darauf wies schon Pacchioni, bull. 9, 57, hin. Vgl. auch Segre
a. O. p. 302 n. Mitteis, Römisches Privatrecht 1, 128 n. 10.
4 Mitteis, Römisches Privatrecht 1, 128 ff.
Josef Partsch:
reddere iudicium). Der Grund dafür ist allerdings völlig dunkel.
Liegt er darin, daß Servius überhaupt noch keine actio negotiorum
gestorum contraria kannte P 1 — Das ist wenig wahrscheinlich
und wird insbesondere durch das argumentum e silentio aus Cic.
Top. 17, 66 keinesfalls erwiesen 2.
Oder sollen die Gefangenen der Lusitani in captivitate hostium
und daher wegen mangelnder Rechtsfähigkeit unfähig gewesen
sein, die prätorische oder zivile Klage aus der negotiorum gestio
zu erwerben ? Das ist auch mit Bestimmtheit abzulehnen. Denn
wir dürfen nach den Nachrichten der Historiker kaum glauben,
es habe am Ende der Republik noch echtes postliminium gegen-
über den Lusitanen bestanden 3. Ferner ist es heute so gut wie
sicher, daß in Rom am Ende der Republik nicht anders als in den
gesamten hellenistischen Staaten die Anschauung lebendig war,
daß der Bürger in captivitate hostium nur in dem von Mitteis
überzeugend dargelegten Rechtszustande schwebenden Personen-
rechts sich befand und nicht durch die Gefangennahme rechtlos
ist 4. Meines Erachtens ist es am wahrscheinlichsten, claß Servius
eben die ediktale negotiorum gestio auf diesen Fall nicht an-
wenden konnte: entweder, weil man es damals noch mit dem
Standpunkte ernst nahm, daß die negotiorum gestio im Sinne
des Ediktes eine Mehrheit von Verfahren vor römischen Juris-
diktionsbeamten treffen mußte, oder, was mir wahrscheinlicher
ist, weil im vorliegenden Falle die beiden entlassenen Gefangenen
nicht ein fremdes Geschäft geführt, sondern im eigenen Interesse
das Geld aufgebracht hatten, da ja eine Forderung cler Lusitani
gegen den Durchgänger augenscheinlich niclit angenommen wird
und selbst dann die beiden aus eigenem Interesse, um frei zu
kommen, gezahlt hätten.
Dieser Rückgriff aus nützlicher Verwendung tritt endlich als
actio negotiorum gestorum utilis sehr deutlich bei der Ausgleichung
der Haftung mehrerer Mitvormünder hervor. Wenn ein tutor
als Gesamtschuldner in Haftung genommen wird und aus dem
Verschulden eines anderen tutor zahlen muß, gibt ihm das viel-
besprochene Reskript des Kaisers Antoninus Pius für den Fall,
1 So die bei Karlowa (R.-Geschichte 2, 760) abgelehnte Hvpothese
bei Pacchioni, Gestione d’affari 20 ff., bull. 9, 55 ff.
2 Vgl. oben S. 30 Anm.
3 Darauf wies schon Pacchioni, bull. 9, 57, hin. Vgl. auch Segre
a. O. p. 302 n. Mitteis, Römisches Privatrecht 1, 128 n. 10.
4 Mitteis, Römisches Privatrecht 1, 128 ff.