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Richard Reitzenstein:
Verhörs des Dionysios von Alexandria bei Eusebios VII 11,6 ff. 1.
Auch es ist uns nur in einer Sammlung seiner Briefe erhalten,
und zwar von ihm selbst mitgeteilt. In den Gemeindegebrauch
ist es nie übergegangen, wie überhaupt, soweit ich sehe, niemals
eine confessio, die nicht zum Tode geführt hat, als Märtyrerakte
überliefert ist 2. Das ist um so auffälliger, als nach der allgemeinen
kirchlichen Auffassung, die wir bis in das erste Jahrhundert
nach Christus zurückverfolgen können, aus dem confessor immer der
Geist redet, ganz gleichgültig, ob die confessio strenger oder milder
bestraft wird. Wenn Harnack aus dieser Auffassung aprio-
ristisch folgert, daß diese Bekenntnisse für die Gemeinde eine
Ergänzung zur Heiligen Schrift darstellten und jeder Satz,
so bekannt und trivial er aucli lauten mochte, für sie eine Offen-
barung, ein Heiligtum war, für dessen reine und ganz ungetrübte
Erhaltung man strengste, ja im Altertum geradezu unerhörte
Vorsorge traf, so scheint mir der Tatbestand dem direkt zu wider-
1 Ygl. die Worte der Einführung p. 656,3 Schwartz; aurcov 8k smx-
xoüaaTs tcüv vn’ dfjicpoTspcov As^R'Üvtc.^v ox; ÜTcsgvTfji.aTia'äT). Zweiföllos ver-
sendete auch Cyprian Copien des amtlichen Protokolls, das ja allein Gewähr
hatte; mit Unrecht denkt Monceaux an ein Privatstenogramm.
2 Auf die fälschlich sogenannten Acta disputationis s. Achatii wird man
nicht mehr verweisen. Schon vor zehn Jahren habe ich (Nachrichten der Gesell-
schaft d. Wissenschaften Göttingen 1904, S. 332, vgl. 329) angedeutet, daßessich
nicht um ein Bekenntnis und noch weniger um einen Prozeß handelt, sondern
um eine fingierte Unterhaltung, in welcher der Christ immer, ohne direkt
zu verleugnen, das Bekenntnis umgeht, (er fragt sogar höhnisch: stehe ich denn
vor Gericht, daß du nach meinem Namen fragst?). Es ist eine höchst inter-
essante Instruktion seitens eines weltklugen und gemäßigten Christen, wie
der Gläubige, ohne sich geradezu zu verraten, mit seiner Umgebung leben
und etwaige Bedrohungen zurückweisen könne, sicher nicht aus der Zeit
des Decius, wo man den libellus verlangte, und sicher in engstem Zusammen-
hang mit der Apologetik, aber freilich in ganz anderem Geiste. Der Ver-
fasser wünscht sich als Schluß solcher Verhandlungen: solventur risu tabulae,
tu fnissus abibis. Es ist etwas seltsam, zu sehen, Avie dies ganz einzigartige
Dokument eines versöhnlichen Weltchristentums aus dem dritten Jahrhundert,
das zu den exhortationes ad martyrium einen lehrreichen Gegensatz bildet,
verkannt und mißhandelt wird. Gerade was Harnack (Geschichte der alt-
christl. Literatur bis Eusebios II 2, S. 468) als einzige Reste einer echten
Märtyrerurkunde bezeichnet, erweist sich als Mißverständnis des Übersetzers,
das nicht einmal im Wortlaut, wie ihn Harnack anführt, einen verständlichen
Sinn ergibt (vgl. Joseph Weber, De actis s. Acacii, Straßburger Dissertation
1913). Ohne strengste philologische Interpretation lassen sich diese Texte
überhaupt nicht historisch bewerten.
Richard Reitzenstein:
Verhörs des Dionysios von Alexandria bei Eusebios VII 11,6 ff. 1.
Auch es ist uns nur in einer Sammlung seiner Briefe erhalten,
und zwar von ihm selbst mitgeteilt. In den Gemeindegebrauch
ist es nie übergegangen, wie überhaupt, soweit ich sehe, niemals
eine confessio, die nicht zum Tode geführt hat, als Märtyrerakte
überliefert ist 2. Das ist um so auffälliger, als nach der allgemeinen
kirchlichen Auffassung, die wir bis in das erste Jahrhundert
nach Christus zurückverfolgen können, aus dem confessor immer der
Geist redet, ganz gleichgültig, ob die confessio strenger oder milder
bestraft wird. Wenn Harnack aus dieser Auffassung aprio-
ristisch folgert, daß diese Bekenntnisse für die Gemeinde eine
Ergänzung zur Heiligen Schrift darstellten und jeder Satz,
so bekannt und trivial er aucli lauten mochte, für sie eine Offen-
barung, ein Heiligtum war, für dessen reine und ganz ungetrübte
Erhaltung man strengste, ja im Altertum geradezu unerhörte
Vorsorge traf, so scheint mir der Tatbestand dem direkt zu wider-
1 Ygl. die Worte der Einführung p. 656,3 Schwartz; aurcov 8k smx-
xoüaaTs tcüv vn’ dfjicpoTspcov As^R'Üvtc.^v ox; ÜTcsgvTfji.aTia'äT). Zweiföllos ver-
sendete auch Cyprian Copien des amtlichen Protokolls, das ja allein Gewähr
hatte; mit Unrecht denkt Monceaux an ein Privatstenogramm.
2 Auf die fälschlich sogenannten Acta disputationis s. Achatii wird man
nicht mehr verweisen. Schon vor zehn Jahren habe ich (Nachrichten der Gesell-
schaft d. Wissenschaften Göttingen 1904, S. 332, vgl. 329) angedeutet, daßessich
nicht um ein Bekenntnis und noch weniger um einen Prozeß handelt, sondern
um eine fingierte Unterhaltung, in welcher der Christ immer, ohne direkt
zu verleugnen, das Bekenntnis umgeht, (er fragt sogar höhnisch: stehe ich denn
vor Gericht, daß du nach meinem Namen fragst?). Es ist eine höchst inter-
essante Instruktion seitens eines weltklugen und gemäßigten Christen, wie
der Gläubige, ohne sich geradezu zu verraten, mit seiner Umgebung leben
und etwaige Bedrohungen zurückweisen könne, sicher nicht aus der Zeit
des Decius, wo man den libellus verlangte, und sicher in engstem Zusammen-
hang mit der Apologetik, aber freilich in ganz anderem Geiste. Der Ver-
fasser wünscht sich als Schluß solcher Verhandlungen: solventur risu tabulae,
tu fnissus abibis. Es ist etwas seltsam, zu sehen, Avie dies ganz einzigartige
Dokument eines versöhnlichen Weltchristentums aus dem dritten Jahrhundert,
das zu den exhortationes ad martyrium einen lehrreichen Gegensatz bildet,
verkannt und mißhandelt wird. Gerade was Harnack (Geschichte der alt-
christl. Literatur bis Eusebios II 2, S. 468) als einzige Reste einer echten
Märtyrerurkunde bezeichnet, erweist sich als Mißverständnis des Übersetzers,
das nicht einmal im Wortlaut, wie ihn Harnack anführt, einen verständlichen
Sinn ergibt (vgl. Joseph Weber, De actis s. Acacii, Straßburger Dissertation
1913). Ohne strengste philologische Interpretation lassen sich diese Texte
überhaupt nicht historisch bewerten.