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Richard Reitzenstein:
Harnackgegeneinephilologische Behandlungder Martyrien leiden-
schaftlichen Einspruch erhob, abhielt, meine Auffassung dieser an-
geblichen‘Akten’ zu veröffentlichen. Wie kommt es, daß sowohl die
ältere (unvollständige) Fassung wie Augustin, der doch der jüngeren
folgt, mit dem Yerhör schließen, ohne den Tod zu schildern ? Daraus,
daß jene ältere Fassung mit einer Erzählung beginnt, folgt mit
Sicherheit, daß sie auch mit einer Erzählung (dem Todesbericht)
schließen mußte 1, und der Schluß, den die jüngere Fassung jetzt
bietet, ist zwar wirr und unklar genug, enthält aber einen Grund-
stock, der zweifellos sehr viel älter ist als Augustin, ja his nahe an die
Ereignisse selbst zurückreicht 2. Aber die Einleitungen bei Augustin
und in der alten Fassung zeigen ja, daß der kirchliche Lese-
stoff nur bis zu dem Schluß des Verhörs ging. Unter demZwang
dieser liturgischen Einrichtung ist in der jüngeren Fassung un-
abhängig der gleiche Abschnitt gemacht worden, wie er in der
älteren war. Wir haben ein volles Recht, auch in dem Schluß-
teil alte Tradition in junger und willkürlicher Überarbeitung zu
sehen. Aber für die Scheidung lassen uns die Handschriften im
Stich, und der ungeschickten Erzählung kommt man mit logischen
Erwägungen schlechter bei als der Abfolge von Frage und Ant-
wort in dem Verhör. Nur Einzelheiten können wir erkennen.
Daß der Ruf der Ghristen bei dem Urteilsspruch et nos cum eo
decollemur zur alten Fassung gehört, wird sich später zeigen.
Versprengt steht daneben die Notiz, daß sich deshalb ein Ge-
tümmel oder gar ein Aufstand erhoben habe 3. Den Schluß bildete
ursprünglich notwendig die Angabe über den Tod des Galerius,
1 Schon daß Monceaux dies übersehen hat, mußte gegen seine ganze
Konstruktion mißtrauisch stimmen.
2 Einen eigenen Anfang hat er nicht und kann nie selbständig ge-
wesen sein.
3 Ein solcher erfolgte wirklich, wenn auch schwerlich am gleichen Tage
(wie cod. D will), und er ward mit blutiger Strenge unterdrückt. Das Martyrium
des Montanus und seiner Genossen beginnt nach der einzig maßgebenden
Überlieferung (cod. Augiensis 32) die Erzählung cap. 2 aus gleichzeitiger
Quelle: post popularem tumultum, quem jerox vulgus in necem praesidis conci-
tarat, postque sequentis diei [in acerrimam persecutionem Christianorum]
praevaricatam violentiam adprehensi sumus e. q. s. Die eingeklammerten,
grammatisch gar nicht zu konstruierenden Worte enthalten nach meiner
Ansicht eine Randglosse, die ursprünglich bestimmt war, den bedenklichen
Ausdruck in necem praesidis zu ersetzen. Aus dem Aufstand der Christen,
den wir aus dem Zusammenhang erschließen müssen, sollte ein Volksauf-
stand gegen die Christen werden.
Richard Reitzenstein:
Harnackgegeneinephilologische Behandlungder Martyrien leiden-
schaftlichen Einspruch erhob, abhielt, meine Auffassung dieser an-
geblichen‘Akten’ zu veröffentlichen. Wie kommt es, daß sowohl die
ältere (unvollständige) Fassung wie Augustin, der doch der jüngeren
folgt, mit dem Yerhör schließen, ohne den Tod zu schildern ? Daraus,
daß jene ältere Fassung mit einer Erzählung beginnt, folgt mit
Sicherheit, daß sie auch mit einer Erzählung (dem Todesbericht)
schließen mußte 1, und der Schluß, den die jüngere Fassung jetzt
bietet, ist zwar wirr und unklar genug, enthält aber einen Grund-
stock, der zweifellos sehr viel älter ist als Augustin, ja his nahe an die
Ereignisse selbst zurückreicht 2. Aber die Einleitungen bei Augustin
und in der alten Fassung zeigen ja, daß der kirchliche Lese-
stoff nur bis zu dem Schluß des Verhörs ging. Unter demZwang
dieser liturgischen Einrichtung ist in der jüngeren Fassung un-
abhängig der gleiche Abschnitt gemacht worden, wie er in der
älteren war. Wir haben ein volles Recht, auch in dem Schluß-
teil alte Tradition in junger und willkürlicher Überarbeitung zu
sehen. Aber für die Scheidung lassen uns die Handschriften im
Stich, und der ungeschickten Erzählung kommt man mit logischen
Erwägungen schlechter bei als der Abfolge von Frage und Ant-
wort in dem Verhör. Nur Einzelheiten können wir erkennen.
Daß der Ruf der Ghristen bei dem Urteilsspruch et nos cum eo
decollemur zur alten Fassung gehört, wird sich später zeigen.
Versprengt steht daneben die Notiz, daß sich deshalb ein Ge-
tümmel oder gar ein Aufstand erhoben habe 3. Den Schluß bildete
ursprünglich notwendig die Angabe über den Tod des Galerius,
1 Schon daß Monceaux dies übersehen hat, mußte gegen seine ganze
Konstruktion mißtrauisch stimmen.
2 Einen eigenen Anfang hat er nicht und kann nie selbständig ge-
wesen sein.
3 Ein solcher erfolgte wirklich, wenn auch schwerlich am gleichen Tage
(wie cod. D will), und er ward mit blutiger Strenge unterdrückt. Das Martyrium
des Montanus und seiner Genossen beginnt nach der einzig maßgebenden
Überlieferung (cod. Augiensis 32) die Erzählung cap. 2 aus gleichzeitiger
Quelle: post popularem tumultum, quem jerox vulgus in necem praesidis conci-
tarat, postque sequentis diei [in acerrimam persecutionem Christianorum]
praevaricatam violentiam adprehensi sumus e. q. s. Die eingeklammerten,
grammatisch gar nicht zu konstruierenden Worte enthalten nach meiner
Ansicht eine Randglosse, die ursprünglich bestimmt war, den bedenklichen
Ausdruck in necem praesidis zu ersetzen. Aus dem Aufstand der Christen,
den wir aus dem Zusammenhang erschließen müssen, sollte ein Volksauf-
stand gegen die Christen werden.