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Richard Reitzenstein:
Cyprianum et sine martyrio habuisse quae doceret, ist hoffentlich
klar. Er belegt diese These im wesentlichen im Anschluß an die
Schriften und wird uns durch das Yerzeichnis, das wir aus ihm
gewinnen können, wichtig genug. Daß er darüber hinaus so un-
säglich wenig Angaben bietet — wie bedenklich ein Teil von dem,
was er bietet, ist, lasse ich ganz beiseite —-, kann auf einen schrift-
stellerischen Plan, kann aber ebensogut auf den Mangel an wirk-
lichen festen Angaben über Gyprians früheres Leben zurückgehen.
Nur ein Herzenskündiger könnte das entscheiden. So beginne
ich mit der Zeit, welche der Verfasser nach seiner Angabe mit
dem Helden zusammen verlebt hat, und über die er, in hand-
greiflichem Gegensatz zu dem vorausliegendem Zeitabschnitt,
eine fortlaufende Erzählung bieten will, d. h. mit der
Verbannung nach Curubis. Genau in diesem Moment setzt
ja aucli die im ersten Teil dieser Abliandiung analysierte
Primärquelle ein. Daß nur ihre ältere Fassung zum Vergleich
herangezogen werden kann, ist klar 1. Die Frage ist nur, ob
er diese gekannt oder nicht gekannt hat. Daß er in dem
oben mitgeteilten Eingang so spricht, als ob es eine literarische
Schiiderung noch nicht gäbe, beweist an sich nichts. Der rhe-
torische Schriftsteller, der für die Nachwelt schreiben will, darf
ein solches Flugblatt mit Recht ignorieren, gleichviel ob er es
benutzt oder nicht. Das ist nicht das Literaturwerk, welches
dem Verdienst seines Helden als praerogativa gebührt. Ob er es
benutzt hat, kann man an zweierlei Zeichen erkennen, entweder
daran, daß er auffäliig übereinstimmt, oder daran, daß er not-
wendigen Übereinstimmungen auf gezwungene Art ausweicht.
In Frage kommen natürlich die Stellen, wo er mehr bietet, nicht
weniger aber aucli diejenigen, wo er auffälligerweise nicht mehr
bietet und doch, wenn er wirklich der vertraute Genosse Gyprians
war, unbedingt mehr wissen mußte. In Frage kommt ferner
das literarische Vorbild, in diesem Falle also die sogenannten
Perpetua-Akten. Die Untersuchung richtet sich, da Harnack
1 Selbst die passio Mariani et Iacobi muß vor die letzte Verfolgung
fallen, sonst hätte ihr Autor nimmermehr erfunden, daß der Laie sich lügnerisch
als Kleriker bezeichnet, um der Ehre des Martyriums teilhaftig zu werden,
und daß Gott diese Lüge mit der Verleihung eines besonderen Ranges be-
lohnt. Nun setzt aber dies Buch als seine Vorlage das Buch über Montanus
und Flavianus voraus, und dies wieder benutzt die vita et passio Cypriani. Wir
dürfen letztere auf keinen Fall allzu nahe an das Ende des dritten Jahrhunderts
heranrücken.
Richard Reitzenstein:
Cyprianum et sine martyrio habuisse quae doceret, ist hoffentlich
klar. Er belegt diese These im wesentlichen im Anschluß an die
Schriften und wird uns durch das Yerzeichnis, das wir aus ihm
gewinnen können, wichtig genug. Daß er darüber hinaus so un-
säglich wenig Angaben bietet — wie bedenklich ein Teil von dem,
was er bietet, ist, lasse ich ganz beiseite —-, kann auf einen schrift-
stellerischen Plan, kann aber ebensogut auf den Mangel an wirk-
lichen festen Angaben über Gyprians früheres Leben zurückgehen.
Nur ein Herzenskündiger könnte das entscheiden. So beginne
ich mit der Zeit, welche der Verfasser nach seiner Angabe mit
dem Helden zusammen verlebt hat, und über die er, in hand-
greiflichem Gegensatz zu dem vorausliegendem Zeitabschnitt,
eine fortlaufende Erzählung bieten will, d. h. mit der
Verbannung nach Curubis. Genau in diesem Moment setzt
ja aucli die im ersten Teil dieser Abliandiung analysierte
Primärquelle ein. Daß nur ihre ältere Fassung zum Vergleich
herangezogen werden kann, ist klar 1. Die Frage ist nur, ob
er diese gekannt oder nicht gekannt hat. Daß er in dem
oben mitgeteilten Eingang so spricht, als ob es eine literarische
Schiiderung noch nicht gäbe, beweist an sich nichts. Der rhe-
torische Schriftsteller, der für die Nachwelt schreiben will, darf
ein solches Flugblatt mit Recht ignorieren, gleichviel ob er es
benutzt oder nicht. Das ist nicht das Literaturwerk, welches
dem Verdienst seines Helden als praerogativa gebührt. Ob er es
benutzt hat, kann man an zweierlei Zeichen erkennen, entweder
daran, daß er auffäliig übereinstimmt, oder daran, daß er not-
wendigen Übereinstimmungen auf gezwungene Art ausweicht.
In Frage kommen natürlich die Stellen, wo er mehr bietet, nicht
weniger aber aucli diejenigen, wo er auffälligerweise nicht mehr
bietet und doch, wenn er wirklich der vertraute Genosse Gyprians
war, unbedingt mehr wissen mußte. In Frage kommt ferner
das literarische Vorbild, in diesem Falle also die sogenannten
Perpetua-Akten. Die Untersuchung richtet sich, da Harnack
1 Selbst die passio Mariani et Iacobi muß vor die letzte Verfolgung
fallen, sonst hätte ihr Autor nimmermehr erfunden, daß der Laie sich lügnerisch
als Kleriker bezeichnet, um der Ehre des Martyriums teilhaftig zu werden,
und daß Gott diese Lüge mit der Verleihung eines besonderen Ranges be-
lohnt. Nun setzt aber dies Buch als seine Vorlage das Buch über Montanus
und Flavianus voraus, und dies wieder benutzt die vita et passio Cypriani. Wir
dürfen letztere auf keinen Fall allzu nahe an das Ende des dritten Jahrhunderts
heranrücken.