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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 14. Abhandlung): Die Nachrichten über den Tod Cyprians: ein philologischer Beitrag zur Geschichte der Märtyrerliteratur — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33057#0064
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Richard Reitzenstein:

es auf seltsame und mehr als gezwungene Weise. Er ist offenbar
der erste, der sie in dieser Gestalt und Deutung vorhringt.
Was kann sie für ihn für einen Zweck haben ? Zwei Stellen kommen
hier in Betraclrt, zunächst cap. 8, in welchem der Autor Gyprians
Flucht vor dem Martyrium in der Decianischen Verfolgung zu
rechtfertigen sucht. Noch immer wird sie ihm zum schweren Vor-
wurf gemacht: er hat göttliche Eingebung nur vorgeschützt und
aus menschlicher Schwäche gehandelt. Der Verfasser begegnet
dem, indem er die segensvollen Wirkungen jener Flucht schildert
und dann fragt: non haec, oro, consilia divina sunt ? hoc fieri
sine deo poluit? ■ viderint qui putant posse fortuitu ista
contingere 1. ecclesia 2 illis clara voce respondet dicens: Ego sine
dei nutu necessarios reservari non admitto, non credo. Dem ent-
spricht genau in der Schilderung der passio der oben kurz er-
wähnte Bericht über den Aufschub des Verhörs auf den folgenden
Tag: et volunt hoc scüicet quidam de suo tunc proconsulem noluisse.
absit ut in rebus divinitus gestis segnitiem sive fastidium procon-
sulis conquerar. absit ut malum hoc intra conscientiam
religiosae mentis admittam?, ut de tam beatissimo martyre
ructus hominum iudicaret. sed crastinus ille dies, quem ante annum
dignatio divina praedixerat, vere crastinus esse debebat. Die Gegner,
die Cyprian noch nacli seinem Tode in großer Zahl hatte, bestritten
dem ostensum den Charakter der Offenbarung, den es offenbar
für die Anhänger zunächst dadurch bewährte, daß auch tatsäch-
lich eine Verschiebung in crastinum diem eingetreten war. Dies
Zusammentreffen erklärten die Gegner für zufällig und hielten
sich dabei offenbar an die Erzählung oder Tatsache, daß der

1 Man kann die leidenschaftliche Verbitterung der prinzipientreuen Gegner
unschwer heraushören: die heilsamen Folgen geben sie zu und bestreiten den-
noch, daß die Flucht vor dem Martyrium Gottes Wille gewesen sein kann.
Sie müssen die Folgen also dem Zufall zuschreiben.

2 Harnack (S. 55) findet diese plötzliche Einführung der personifi-
zierten Kirche sehr auffallend; nur durch den Hirten des Hermas werde sie
verständlich; aus diesem Buche habe das Abendland gelernt, die Kirche als
redende und handelnde Person einzuführen. Mir ist bei Rhetoren dieser Art
die Personifizierung des Vaterlandes, der Gesetze und dergleichen gar nicht
befremdlich ■—- der Schulunterricht gab Anweisung dafür — und der ent-
scheidende Sinn nur: die Gegner Cyprians stellen sich selbst außerhalb
der Kirche.

3 Es ist Sünde, das auch nur zu denken. Mit vollem Nachdruck wird
das hervorgehoben. Harnacks Erklärung wird dem Ethos der Stelle nicht
gerecht.
 
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