Wenn bei einem so alten und schwierigen Problem, wie dem
hier angeschnittenen, die innerhalb der eigentlich kunstgeschicht-
lichen Sphäre liegenden Mittel zur Deutung erschöpft sind, so wird
es erlaubt sein, des Rätsels Lösung einmal von einer anderen Seite
her zu versuchen. Dies ist im folgenden geschehen, indem die
erhaltenen Figuren des Parthenon-Ostgiebels mehr unter den
religions- und kultgeschichtlichen Gesichtswinkel gestellt sind, als
dies bisher der Fall war. Dah dabei auch niedrigere, volkstfun-
liche, selbst auberhellenische und zuweilen etwas unklar wogende
Vorstellungsreihen berührt wurden, welche erst in weiterem Zu-
sammenhange Fühlung haben mit der abgeklärten Empfindung und
Gedankenwelt, aus denen die Schöpfung der iichten Giebelgestalten
entsprang, war unumgänglich. Die Gefahr, in die Gestalten des
Künstlers Beziehungen und Andeutungen hineingeheimnist zu haben,
die ihm selbst ferne lagen und die der antike Beschauer nicht hätte
erfassen können, hoffe ich trotzdem vermieden zu haben. Bei
allen Umwegen und allem Ausbolen ins Weite kam es mir nur
darauf an, die breite Basis der antiken Gesamtvorstellung bloßzu-
legen, auf der erst die speziell hellenische Schöpfung in ihrer ge-
läuterten Vollendung klassischer Blütezeit sich erheben konnte.
I.
Die alte, vor fast hundert Jahren (1816) von Visconti auf-
gestellte und in England (Murray, A. Smith, E. A. Gardener) bis heute
festgehaltene Deutung der Figuren K, L, M (Abb. 2) als Moiren glaubte
vor nicht langem auch Bruno Sauer preisgeben zu müssen (Der
WEBER-LABORDESche Kopf, S. 99 u. 116ff.). Studniczka (Jahrb. 1904, 3) 1
1 In seinem letzten Aufsatz zum Parthenon, Neue Jahrbücher f. d. klass.
Altert. 1912, 247ff., bringt STUDNICZKA nichts Neues zur Deutung der hier aus-
führlicher besprochenen Figuren, er beharrt bei seiner früheren Auffassung.
l*
hier angeschnittenen, die innerhalb der eigentlich kunstgeschicht-
lichen Sphäre liegenden Mittel zur Deutung erschöpft sind, so wird
es erlaubt sein, des Rätsels Lösung einmal von einer anderen Seite
her zu versuchen. Dies ist im folgenden geschehen, indem die
erhaltenen Figuren des Parthenon-Ostgiebels mehr unter den
religions- und kultgeschichtlichen Gesichtswinkel gestellt sind, als
dies bisher der Fall war. Dah dabei auch niedrigere, volkstfun-
liche, selbst auberhellenische und zuweilen etwas unklar wogende
Vorstellungsreihen berührt wurden, welche erst in weiterem Zu-
sammenhange Fühlung haben mit der abgeklärten Empfindung und
Gedankenwelt, aus denen die Schöpfung der iichten Giebelgestalten
entsprang, war unumgänglich. Die Gefahr, in die Gestalten des
Künstlers Beziehungen und Andeutungen hineingeheimnist zu haben,
die ihm selbst ferne lagen und die der antike Beschauer nicht hätte
erfassen können, hoffe ich trotzdem vermieden zu haben. Bei
allen Umwegen und allem Ausbolen ins Weite kam es mir nur
darauf an, die breite Basis der antiken Gesamtvorstellung bloßzu-
legen, auf der erst die speziell hellenische Schöpfung in ihrer ge-
läuterten Vollendung klassischer Blütezeit sich erheben konnte.
I.
Die alte, vor fast hundert Jahren (1816) von Visconti auf-
gestellte und in England (Murray, A. Smith, E. A. Gardener) bis heute
festgehaltene Deutung der Figuren K, L, M (Abb. 2) als Moiren glaubte
vor nicht langem auch Bruno Sauer preisgeben zu müssen (Der
WEBER-LABORDESche Kopf, S. 99 u. 116ff.). Studniczka (Jahrb. 1904, 3) 1
1 In seinem letzten Aufsatz zum Parthenon, Neue Jahrbücher f. d. klass.
Altert. 1912, 247ff., bringt STUDNICZKA nichts Neues zur Deutung der hier aus-
führlicher besprochenen Figuren, er beharrt bei seiner früheren Auffassung.
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