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Weinreich, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 5. Abhandlung): Lykische Zwölfgötterreliefs: Untersuchungen zur Geschichte des dreizehnten Gottes — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33048#0022
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22

Otto Weinreich:

Auf den sprachlichen Ausdruck wirkt unbewußt die bild-
mäßige Vorstellung einer Mittelperson ein, clie auf beiden Seiten
von je sechs Gestalten umgeben ist, das Doclekatheon bleibt als
Gruppe und erhält einen Höchsten als Führer, wie clie heoi ßou-
\aioi, die Gonsentes ihren Führer haben und wie auf unserem Re-
lief der Höchste iis sex zur Seite hat: die Rundzahl Zwölf drängt
hin zur Dreizehn, zur „heiligen Zahl mit Überschuh“.

So hat W. Grimm eine oft zu beobachtende Erscheinung ge-
nannt; er geht aus von einigen Stellen im Freidank, wo zu einer
Gruppe von drei Dingen ein viertes hinzugefügt wird, und zwar so,
dah die ersten drei gewissermaßen als Vorbereitung dienen für die
Flauptsache, die als das vierte Stück dann hinzutritt. R. M. Meyer
hat an einer Reihe von anderen Reispielen diese Zugabezahlen er-
läutert (z. E. 3 -|— 1, 12 -j- 1, 100 -f- 1, 1000 -j- 1, allgemein n -j- 1,
wobei n jede beliebige Rundzahl 32 bedeuten kann) und hat cliese
Erscheinung als das mythologische Schema des „Überschüssigen“
charakterisiert (Archiv f. Rel.-Wiss. X, 1907, 89ff.). Es pflegt,
wie R. M. Meyer feststellt, in dreifacher Verwendung vorzukommen:
„1. Die Hauptsache wird aufgespart, 2. eine freiwillige (oder so
scheinende) Zugabe wird geleistet, 3. ein Riesenmaß wird aus-
gedrückt. Von cliesen Verwenclungen ist die dritte stilistisch, die
'zweite folkloristisch zu beachten; mythologisch koimnt nur die erste
in Eetracht.“ Ich weiß nicht, ob man den Versuch gemacht hat,
dies mythologische Schema auch in bildlichen Darstellungen zu ver-
folgen, aber ich wüßte kaum ein treffenderes Eeispiel dafür als
eben diese lykisehen Reiiefs: Zwölf Götter nennt die Inschrift, der
„Überschüssige“ ist durcli die Darstellung, nicht durch den Text
als die Hauptsache, als Herr der Zwölf charakterisiert.

lassen, der die Götterversammlung auf dem Ostfries des Niketempels als Gericht
der Zwölfgötter über Poseidon und Athena deutet und versucht, aus der ein-
flächigen Darstellung die szenische Gruppierung zu rekonstruieren, Journal internat.
d’archeol. numismatique XIV, 1912, S. 328 ff., Taf. KA'.

32 So finden wir in jüdischen Überlieferungen bald 30 bald 31 Gerechle
(Marmorstein, Archiv für Religionswissenschaft XV, 1912, S. 320); reiches Material
für solche Zahlen bei Schultz a. a. O. passim. Zu 3 + 1 vergleiche man die
hiibsche Geschichte bei Iosephos, ant. Iud. XI 36 ff., wo der als Hauptsache nach
den 3 vorbereitenden Dingen genannte Preis der a\f|9eia interpoliert und dadurch
das ursprüngliche Schema gestört ist, vgl. Laqueur, Hermes XLVI, 1911, S. 168 A. 1;
ebenda 172 A. ein gutes Beispiel für 9 + 1, das sich als Erweiterung einer ur-
spriinglichen 2 + 1 auffassen läßt.
 
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