Lykische Zwölfgötter-Reliefs.
25
liältnis der Figuren zura Raume: sowohl die Umrisse der Figuren im
ganzen erscheinen uns hart und leblos, als auch die Modellierung der
Teile: der Hände, Köpfe, Gewandfalten.“
Ich habe es mir nicht versagen können, diese Sätze aus
Alois Riegls klassischer Analyse — natürlich nicht cler lykischen
Reliefs, sondern der konstantinischen des Konstantinbogens — wörtlich
herüberzunehmen (Spätrömisclie Kunstindustrie 1901, S. 46—49).
Dafs man sie von den einen auf die anderen übertragen kann,
zeigt, wie deutlich sich das Typische in der Kunstrichtung dieser
Zeit bei beiden ausprägt: Zentralisierung, entschiedene Vorherrschaft
der Vertikalen und Horizontalen, Symmetrie, Reihung, Responsion,
rhythmischer Wechsel von helier, flächenhaft behandelter Figur und
scharf abgegrenztem Raumschatten dazwischen. Der Qualitätsunter-
schied, der clie eienclen provinzialen Weihreliefs aus dem inneren
Lykien von den monumentalen historischen Reliefs der gleichen
Zeit in der Ilauptstadt des römischen Reiches trennt, ist natürliclr
ungeheuer; aber wenn man von diesen graduellen ocler in dem
Stofflichen der Darstellung begrüncleten Unterschieden absieht,
dann wircl man erkennen, claß in der Formensprache die beiden
doch verwandt sind. Es läge nahe, von gleichem „Kunstwollen“
auf beiden Seiten zu reden. Aber dieser Begriff setzt eiu viel
zu grofies Mab von Bewubtheit voraus, als daß man sich seiner
bezüglich der lykischen Votivtafeln bedienen möchte. Denn der
Steinmetz, der den Archetypus dieser Rehefs herstellte (A kommt
ihm offenbar am nächsten, und an diesem, als dem einzigen
vollständig erhaltenen Stück muß man exemplifizieren), war
gewip kein Künstler, dem ein besonders bewußtes „Kunstwollen“
eigen gewesen wäre; aber er hat Stilgefühl — primitives und
barbarisches meinetwegen, aber ausgesprochenes. Sinn für Rhyth-
mus und eine dem Inlialt entsprechende Komposition kann man
kaum leugnen. Die inhaltliche Gleichartigkeit der buibeKa heoi
koinmt durch clie Reihung identischer Gestalten klar zum Aus-
druck. Die Zugehörigkeit cles in ihrer Mitte eingegliederten Drei-
zehnten wircl deutlich empfunden trotz cler schmalen trennenden
Stege zwischen ilnn und den andern, weil er in der Haltung völlig
clen anclern entspricht. In diesem Personenstreifen entsteht durch
die etwas nach links oben gehaltene Lanzenspitze sowie durch clie
Richtung der konzentrischen Viertelkreise cles Gewandmusters eine
hnksläufige Bewegung, clie cler Mittelste durchaus teilt; daher der
dominierende Gharakter dieser die ganze Breite cles Reliefs durch-
25
liältnis der Figuren zura Raume: sowohl die Umrisse der Figuren im
ganzen erscheinen uns hart und leblos, als auch die Modellierung der
Teile: der Hände, Köpfe, Gewandfalten.“
Ich habe es mir nicht versagen können, diese Sätze aus
Alois Riegls klassischer Analyse — natürlich nicht cler lykischen
Reliefs, sondern der konstantinischen des Konstantinbogens — wörtlich
herüberzunehmen (Spätrömisclie Kunstindustrie 1901, S. 46—49).
Dafs man sie von den einen auf die anderen übertragen kann,
zeigt, wie deutlich sich das Typische in der Kunstrichtung dieser
Zeit bei beiden ausprägt: Zentralisierung, entschiedene Vorherrschaft
der Vertikalen und Horizontalen, Symmetrie, Reihung, Responsion,
rhythmischer Wechsel von helier, flächenhaft behandelter Figur und
scharf abgegrenztem Raumschatten dazwischen. Der Qualitätsunter-
schied, der clie eienclen provinzialen Weihreliefs aus dem inneren
Lykien von den monumentalen historischen Reliefs der gleichen
Zeit in der Ilauptstadt des römischen Reiches trennt, ist natürliclr
ungeheuer; aber wenn man von diesen graduellen ocler in dem
Stofflichen der Darstellung begrüncleten Unterschieden absieht,
dann wircl man erkennen, claß in der Formensprache die beiden
doch verwandt sind. Es läge nahe, von gleichem „Kunstwollen“
auf beiden Seiten zu reden. Aber dieser Begriff setzt eiu viel
zu grofies Mab von Bewubtheit voraus, als daß man sich seiner
bezüglich der lykischen Votivtafeln bedienen möchte. Denn der
Steinmetz, der den Archetypus dieser Rehefs herstellte (A kommt
ihm offenbar am nächsten, und an diesem, als dem einzigen
vollständig erhaltenen Stück muß man exemplifizieren), war
gewip kein Künstler, dem ein besonders bewußtes „Kunstwollen“
eigen gewesen wäre; aber er hat Stilgefühl — primitives und
barbarisches meinetwegen, aber ausgesprochenes. Sinn für Rhyth-
mus und eine dem Inlialt entsprechende Komposition kann man
kaum leugnen. Die inhaltliche Gleichartigkeit der buibeKa heoi
koinmt durch clie Reihung identischer Gestalten klar zum Aus-
druck. Die Zugehörigkeit cles in ihrer Mitte eingegliederten Drei-
zehnten wircl deutlich empfunden trotz cler schmalen trennenden
Stege zwischen ilnn und den andern, weil er in der Haltung völlig
clen anclern entspricht. In diesem Personenstreifen entsteht durch
die etwas nach links oben gehaltene Lanzenspitze sowie durch clie
Richtung der konzentrischen Viertelkreise cles Gewandmusters eine
hnksläufige Bewegung, clie cler Mittelste durchaus teilt; daher der
dominierende Gharakter dieser die ganze Breite cles Reliefs durch-