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Weinreich, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 5. Abhandlung): Lykische Zwölfgötterreliefs: Untersuchungen zur Geschichte des dreizehnten Gottes — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33048#0029
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Lykische Zwölfgötter-Reliefs.

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Soweit ich sehe, läßt sich keine Darstellung nachweisen, wo
zu Ghristus mit clen zwölf Aposteln und den zwölf Lämmern etwa
noch ein Adorant hinzugefügt wäre; aber auch so schon ist die
Ähnlichkeit der altchristlichen Darstellungen mit den lykischen R.e-
iiefs auffallend, und es fragt sich nun, wie sie zu erklären ist.
Lassen sich etwa historische Beziehungen zwischen Zwölfgötterkult
und Zwölfapostelverehrung nachweisen, oder aber haben sich aus
gleichartigen Voraussetzungen heraus unabhängig voneinander ähn-
liche Resultate gebildetP Die Aufgabe war in beiden Fällen eine
ähnliche: es sollte eine männliche sakrale Dodekas, die der Indivi-
dualität entbehrt (ctYpioi heoi) oder zunächst nicht bedarf (oi buubeKa,
wie die Apostel als Kollegium 37 oft heißen), zur Darstellung ge-
bracht werden im Verhältnis zu clem „Uberschüssigen“, der, ihnen
ähnlich und zugeliörig, doch vor ihnen auszuzeichnen war. Dode-
kadische Kreise wie clie griechisch-römischen Zwölfgötter bieten
insofern keine Vergleichsmöglichkeit, als sie ja aus männlichen und
weiblichen Göttern zusammengeordnet wären; und der einzige
antike Zwölfgötterkreis, der aus nur männlichen und vöilig gleich-
artigen Wesen bestand, die zwölf agricolares dei der Römer (oben
III) sind niemals bildlich dargestellt worden und haben auch nie-
mals den Zuwachs des Überschüssigen, cles Dreizehnten, erfahren.

So bleiben also die auffallenden Parallelerscheinungen jener
lykischen Denkmäler des Zwölfgötter- und Kaiserkultes einerseits
und der Ghristus- und Zwölfapostelverehrung andererseits. Aber
sind es wirklich nur religionsgeschichtliche ParallelenP Ein Ab-
hängigkeitsverhältnis cler Art, dah etwa die öüubeKa heoi den zwölf
Aposteln oder umgekehrt die Zwölfzahl der Apostel den öiuöeKa
heoi ihren Ursprung verdankten, wircl auch der entschiedenste
Gegner Bastianscher „Völkergedanken“ nicht annehmen wollen.
Hier liegen spontane Bildungen vor, verursacht durch das Walten
der heiligen Zahl. Und was die führencle Stellung des Dreizehnten
betrifft, so hat der xpiaKaiöeKaxo«; heog der lykischen Pmliefs seine
Vorbilder sclion im frühhellenistischen Herrscherkult, ist also clem
Verclacht irgendeiner historischen Abhängigkeit von Christus als
Herrn der Zwölf — eine Annahme, clie auch ohne dies absurd
wäre — völlig entrückt. Aber die anclere Frage läßt sich auf-
werfen, ob hier nicht ein Rivalitätsverhältnis vorliegen kann, wie
ein solches zwischen Kaiser- und Ghristuskult ja nachweislich be-

37 Harnack, Mission und Ausbreilung des Ghristenlums 2 1906, I, S. 267ff.
 
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