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Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 7. Abhandlung): Die Reservearmee des Kapitals — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33050#0023
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Die Reservearmee des Kapitals.

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großer Nationalökonom Georg Büsch an der Spitze, werden nicht
müde, das Thema zu variieren: Hamburgs Stärke liegt in seiner
Schwäche. Sobald ein Seekrieg ausbricht und die nationale Flagge
gefährdet ist, sobald die Yerbindung der Kolonien, von denen
man sonst jede fremde Flagge eifersüchtig fernhält, mit dem
Mutterland unterbrochen ist, taucht die Hamburger Flagge auf,
um ebenso rasch nach Friedensschluß zu verschwinden. Und so
wird Hamburg und seine Bank auch zum internationalen Zah-
lungsplatz. Noch nach der großen Katastrophe der Kontinental-
sperre und cler Freiheitskriege hat der Hamburger Handel ge-
glaubt, zunächst wieder diese Bahnen einschlagen zu müssen.
Es könnte sich wohl ereignen, daß auch in unseren Zeiten bei
kriegerischen Verwicklungen oder auch nur bei langdauernder
Eifersucht der Großmächte, die sich auf das finanzielle Gebiet
überträgt, das Kapital der neutralen Staaten, Belgien und
Schweiz, eine ähnliche internationale Reserverolle übernähme
wie früher Hamburg. Anzeichen hierfür fehlen schon jetzt nicht.

Schwieriger liegt die Frage, ob auch jener zweiten Form der
Reservearmee der Arbeit, die wir die reguläre nannten, eine
analoge Erscheinung bei der Kapitalbeschaffung entspricht.
Es würde sich um die Fälle handeln, wo der Unternehmer auf die
Haltung des eigenen Kapitals ganz oder großenteils verzichtet,
weil er es doch nicht voll ausnützen kann, wo er in stetiger Wieder-
kehr die Dienste eines fremden Kapitals benützt, wo er also die
Kapitalhaltung, weil sie bei ihm nicht rentabel wäre, auf einen
andern abwälzt, für den sie rentabel ist. Es handelt sich hier
keineswegs um die Beschaffung von Betriebskredit; im Gegenteil
wird das Erfordernis eines solchen auf diesem Wege vermieden.
Wir werden freilich auch einzelne Fälle kennen lernen, wo sich
Kreditgewährung mit dieser Kapitalhaltung verschmilzt. Das
durch Kredit beschaffte Kapital geht in Eigentum und Betrieb des
Unternehmers über, das reguläre Reservekapital bleibt draußen.
Dagegen zeigt sich hier eine besondere Form der Arbeitsteilung, die
man Gliederung der Aufgaben, die zu einem gemeinsamen Ergebnis
führen, nennen mag. Hier handelt es sich um die wichtigste Aufgabe,
die Kapitalhaltung. Dadurch unterscheidet sich diese Verteilung
von der gewöhnlichen, die darin besteht, daß der Fabrikant einzelne
 
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