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Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 7. Abhandlung): Die Reservearmee des Kapitals — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33050#0028
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E. Gothein:

und Arrondierung der Landnutzung mit sich brachte: der Boden
aber mußte immer nocli wichtiger für ihn sein als das Kapital 1.

In anderer Gestalt setzt sich die Abwälzung der Haltung
eines Teils des stehenden Kapitals in der Landwirtschaft auch
heute fort. Nicht nur in Amerika ist es gebräuchlich, daß der
Besitzer des Dampfpfluges, der kostspieligsten der landwirtschaft-
lichen Maschinen, die erst bei einer Verwendung auf großen Land-
flächen sich rentiert, eine ganze Anzahl von Farmen im Lohn
pflügt, sondern auch im deutschen Osten bestellt öfters ein Bitter-
gutsbesitzer, der nicht volle Verwendung für seinen Dampfpflug
findet, die Äcker der Nachbarn gegen Entgelt 2. Allein in Breslau
hat die Firma Fowler 26 Dampfpflüge aufgestellt, die in einem
weiten Umkreis die Äcker der schlesischen und posenschen Groß-
güter bearbeiten. Je nach Größe, Entfernung, Bodenbeschaffen-
heit, Jahreszeit richtet sich der Preis dieser Kapitalnutzung.
Bei kleineren Maschinen und in der kleineren Landwirtschaft wieder-
holt sich der gleiche Fall. Selbst der Zwergwirt kann heute kaum
die Dreschmaschine entbehren. So ist es in Gegenden zersplit-
terten Grundbesitzes üblich geworden, daß ein einzelner, liäufig
der Dorfschmied, dieses Kapital hält wie der Müller die Mühle.
Allerdings ist in allen diesen Fällen auch genossenschaftlicher
Betrieb möglich; die Firrna Lanz gibt tatsächlich beim Absatz
ihrer Dreschmaschinen an Bauern gleich ein Statut für Genossen-
schaften mit und hat ihre Monteure angelernt, nicht nur diese
aufzustellen, sondern auch jene einzurichten; allein die Verschieden-
artigkeit der Verhältnisse der Einzelwirtschaften und der Preis-

1 Es könnte Anstoß erregen, daß ich hier das Spannvieh als stehendes
Kapital behandle. Freilich ist das einzelne Stück Yieh mobiles Kapital,
verwertbar und zum Schluß regelmäßig verwendet auch in anderer Weise
als zur Ackerbestellung und Düngung. Aber der Viehstapel im Ganzen gehört
außer etwa bei Abmelkwirtschaften zum notwendigen, ständigen Zubehör
des Betriebs, zum fundus instructus, wie der Römer ganz richtig sagte.
Als Ganzes ist er also in bezug auf den Betrieb, worauf es allein ankommt,
stehendes Kapital. Es zeigt sich hier wieder, wie nötig es ist, stehendes und
variables Kapital einerseits, fixiertes und mobiles andrerseits zu schei-
den, worauf K. Marx mit Recht namentlich in den späteren Bänden des
Kapital gedrungen hat. Der Einteilungsgrund ist eben ein verschiedener,
mobil und stehend schließen sich nicht aus. Auch von der Goltz rechnet
in der Betriebslehre offenbar aus ähnlichen Erwägungen das Zugvieh zum
stehenden Kapital.

2 Auf der Herrschaft Jeschkendorf des Herrn Direktor Zwicklitz habe
ich mir dies näher angesehen.
 
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