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Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 7. Abhandlung): Die Reservearmee des Kapitals — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33050#0033
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Die Reservearmee des Kapitals.

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uns hier beschäftigt, nimmt er hingegen in erster Linie
eine selhständige Stufe im Produktionsprozeß ein und nur aus
diesem Grunde wird er auch Kreditgeber. So ist es bisw reilen
der Grossist, häufiger der Makler, in großartigem Maße z. B. der
Amsterdamer Tabakmakler, der deshalb eine ganz eigenartige, auch
von der Gesetzgebung anerkannte Stellung unter den übrigenMak-
lern einnimmt. Besonders aber lag und liegt teilweise noch jetzt,
hierin die wirtschaftliche Bedeutung des Kommissionshandels. Wir
lassen hier das Juristische ganz beiseite; wirtschaftlich wurde
er nötig, als man mit der alten Politik der Stapel und Messen
allein nicht mehr auskam. Er ist recht eigentlich. im Kolonial-
warenhandel erwachsen. Indem der Kommissionär nun zum not-
wendigen Zwischenglied wurde und die anvertraute Ware rechtlich
in sein Eigentum überging, lag es nahe, daß er auch mit seinem
Kapital eintrat: er war der Nächste zur Kreditgewährung. An
Hamburgs Handelsgeschichte im 17. und 18. Jahrhundert kann
man es schrittweise verfolgen, wie der Kommissionshandel die
Oberhand über den Eigenhandel gewann und es erst zum großen
Platze machte. Hamburgs Reederei fungierte, wie wir sahen, als
irreguläre Reservetruppe des Kapitals für ganz Europa, Ham-
burgs Kommissionsgeschäft als reguläre; seine Bank diente zu
beiden Zwecken. Denn dieser Kommissionshandel des prinzipiell
neutralen Platzes knüpfte die stetigen Beziehungen zwischen
zwei Ländern; außerdem aber ward er unablässig empfohlen, weil
er dem Händler und mehr noch dem Fabrikanten, z. B. dem
schlesischen Leinenindustriellen, dessen starke Seite die Kapital-
kraft nicht war, den nötigen Vorschuß des Betriebskapitals leistete.
Deshalb wurde auch für Hamburg die Sicherung der Währung und
die Regelung der internationalen Zahlungen zum Mittelpunkt
der gesamten Wirtschaftspolitik.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts trifft man hier bis-
weilen die Klage, daß die bloße Spedition, die bis dahin
ein ziemlich untergeordnetes Hilfsgewerbe im genossen-
schaftlichen Betrieb der Litzenbrüder gewesen war, zu
ungunsten des Kommissionshandels sich ausdehne. Sogleich
aber wird auch dieser Mittelstätigkeit die Kapitalhaltung zum
Teil zugeschoben. Die Folge hiervon war, daß die Speditionsfirmen
ihren Unternehmungen Geldgeschäfte angliederten. Besonders in
Frankfurt und in Köln, das nach Verlust seines Eigenhandels
und bei geringer Entwicklung des durch den Stapel behinderten

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