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Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1913, 7. Abhandlung): Die Reservearmee des Kapitals — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.33050#0036
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36

E. Gothein:

hat. Auch hier hedeutet aber der Kommissionär noch mehr: er
ist der Kapitalhalter für die Kapitalschwachen, wohl nicht unter
den Verlegern, um so mehr aber unter den Sortimentern
geworden, da diese aus den gleichen Gründen wie die
Metzger wenig Bankkredit haben, ihrem Kommissionär aber bis
ins kleinste bekannt sind. Wo ein Barsortiment, nicht für das
Publikum sondern für die Sortimenter selber, mit dem Kommissions-
geschäft verbunden ist, ist seine Rolle als Reservekapital vol-
lends augenscheinlich. In der Rolle als Verteiler und Versender
ließen sich vielleicht die privaten Kommissionäre durch eine
genossenschaftliche Anstalt ersetzen, — in ihrer Rolle als Reserve-
Armee des Kapitals für die Klein- und Mittelbetriebe nicht.

Es ist nicht die Hauptrichtung der kapitalistischen Entwick-
lung, die wir hier verfolgt haben; vielmehr handelt es sich nur um
einen Nebenzweig, der seine Analogie in der mit der Verfassung des
Kapitals immer eng verbundenen Verfassung der Arbeit hat.
Aber auch dieser ist reich entwickelt, und diese Seitenrichtung
modifiziert die hauptsächliche in mannigfaltiger Weise und lenkt
sie ab. Auch ist sie als eine selbständige Erscheinung zu betrachten.
Wohl zeigten die letzten Beispiele mehrfach Übergänge ins reine
Kreditwesen; aber im Ganzen steht die Reservearmee des Ka-
pitals eher im Gegensatz zur Kreditgewährung und sucht sie zu
vermeiden oder zu umgehen, als daß sie unter jene selber zu sub-
sumieren wäre. Im großen und ganzen handelt es sich dabei, wie die
Mehrzahl der Beispiele zeigt, um Daseinsbedingungen und Le-
bensformen des mittleren Kapitals, indem dieses bald als irreguläre
Reserve beigezogen wird, bald selber sich auf eine reguläre Re-
servetruppe anderen Kapitals stützt. Für frühere Zeiten, wo die
mittlere kapitalistische Unternehmung, diejenige, deren eigene
Kapitalkraft noch wenig entwickelt war und die deshalb mit
ihrem Kapital sorglich haushalten mußte, vorwaltete, ist deshalb
auch die hier dargestellte Verschiebung der Rolle der Kapital-
haltung von größerer Wichtigkeit als sie es heute ist; und zur
theoretischen Begründung wirtschaftsgeschichtlicher Erscheinungen
scheint mir der Begriff der Reservearmee des Kapitals besonders
fruchtbar. Allein auch für die Gegenwart können wir von einer
Mittelstandspolitik des Kapitals sprechen. Dafür, welches
ihre Bedingungen und Aussichten sind, ist hier einiges Ma-
terial beigebracht worden.

Entstehung und Entwicklung der kapitalistischen Unter-
 
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