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Hans Driesch:
Hiermit ist zum ersten, und zwar dem Begriffe nach,
die Unmöglichkeit einer „Vereinigung“ von Teleologie oder, besser,
Ganzheitslehre mit dem „Mechanismus“ gezeigt.
4. Zum andern nun aber: Wissen wir denn um die Ganz-
heit — die „Teleologie“ ■—-aller Gegenständlichkeit im Bereiche
der Raumerfahrung; können wir denn wirklich sagen: hier in der
Raumerfalirung liaben wir in Klarheit die eine Ordnung?
Wir wissen, daß davon gar keine Rede ist; ja so
wenig ist davon die Rede, daß gerade in den letzten Jahrzehnten
der Begriff der sachlichen Ganzheit sogar mit Unrecht vollkom-
men beiseite geschoben werden konnte, wie es seitens des summen-
haften ,,Monismus“ in allen seinen Ausprägungen geschah. Oder
wer will sicli vermessen und sagen, er wisse, daß hier diese ,,Zu-
fälligkeit“ oder dort jener „Unglücksfall“ an seiner Stelle in einem
als solches erkannten geordneten Ganzen stehe ? Es gibt eben für
das erfahrungsmäßige Wissen Zufall, das lieißt Niclit-Ganzheit.
Will man trotz des Wissens um Zufall oder, strenger ge-
sprochen, trotz des Niclitwissens um Ganzheit die Ganzheit des
Wirklichen retten, so bleiben zwei Wege übrig.
5. Zunächst einmal kann man, das spinozistische Dogma
walirencl, sagen: Die Ganzheit soll eine raumhafte Ganzheit in
Entwicklung sein. Nun ist die Entwicklung offenbar noch nicht
abgeschlossen, denn es gibt ja noch Veränderungen. Könnte unser
Nichterkennen der Ganzheit der räumlichen Welt nicht nur dalier
stammen, daß wir eben kraft unserer Beschränktheit die werdende
Ganzheit im Raume nocli nicht als solche erkennen ?
Nicht gerade wahrscheinlich sclieint uns das, wie uns denn
überhaupt der dogmatische Gedanke, daß Ganzheit des Wirldichen
durcliaus aucli als Raumganzheit müsse „abgebildet“ sein, höchst
absonderlich zu sein sc.heint. Aber gut, lassen wir das Dogma
and, Value, London 1912; gut ist auch Julius Schultz’ Die Maschinentheorie
des Lebens, Göttingen 1909. — Insonderheit die biologischen Probleme
Averden auf raumhaft-ordnungsmonistischer Basis behandelt von den neue-
sten, zwei verschiedene Abarten des Neukantianismus vertretenden Werken
von N. Hartmann (Philos. Grundfragen d. Biol., Göttingen, 1912) und
R. Kroner (Zweck und Gesetz in d. Biol., Tübingen 1913), beide noch ohne
Bezugnahme auf die in meiner Ordnungslehre (1912) mitgeteilte Lehre vom
Werden verfaßt. Auf die Sonderprobleme, welche mich zum Vitalismus
führten, gehen beide Autoren nicht irgendwie im Intimen ein; das Grund-
prinzip des „Mechanismus“ wird einfach hingesetzt (bei Hartmann z. B.
S. 27 und 63, bei Kroner S. 41, 133, 149 f.).
Hans Driesch:
Hiermit ist zum ersten, und zwar dem Begriffe nach,
die Unmöglichkeit einer „Vereinigung“ von Teleologie oder, besser,
Ganzheitslehre mit dem „Mechanismus“ gezeigt.
4. Zum andern nun aber: Wissen wir denn um die Ganz-
heit — die „Teleologie“ ■—-aller Gegenständlichkeit im Bereiche
der Raumerfahrung; können wir denn wirklich sagen: hier in der
Raumerfalirung liaben wir in Klarheit die eine Ordnung?
Wir wissen, daß davon gar keine Rede ist; ja so
wenig ist davon die Rede, daß gerade in den letzten Jahrzehnten
der Begriff der sachlichen Ganzheit sogar mit Unrecht vollkom-
men beiseite geschoben werden konnte, wie es seitens des summen-
haften ,,Monismus“ in allen seinen Ausprägungen geschah. Oder
wer will sicli vermessen und sagen, er wisse, daß hier diese ,,Zu-
fälligkeit“ oder dort jener „Unglücksfall“ an seiner Stelle in einem
als solches erkannten geordneten Ganzen stehe ? Es gibt eben für
das erfahrungsmäßige Wissen Zufall, das lieißt Niclit-Ganzheit.
Will man trotz des Wissens um Zufall oder, strenger ge-
sprochen, trotz des Niclitwissens um Ganzheit die Ganzheit des
Wirklichen retten, so bleiben zwei Wege übrig.
5. Zunächst einmal kann man, das spinozistische Dogma
walirencl, sagen: Die Ganzheit soll eine raumhafte Ganzheit in
Entwicklung sein. Nun ist die Entwicklung offenbar noch nicht
abgeschlossen, denn es gibt ja noch Veränderungen. Könnte unser
Nichterkennen der Ganzheit der räumlichen Welt nicht nur dalier
stammen, daß wir eben kraft unserer Beschränktheit die werdende
Ganzheit im Raume nocli nicht als solche erkennen ?
Nicht gerade wahrscheinlich sclieint uns das, wie uns denn
überhaupt der dogmatische Gedanke, daß Ganzheit des Wirldichen
durcliaus aucli als Raumganzheit müsse „abgebildet“ sein, höchst
absonderlich zu sein sc.heint. Aber gut, lassen wir das Dogma
and, Value, London 1912; gut ist auch Julius Schultz’ Die Maschinentheorie
des Lebens, Göttingen 1909. — Insonderheit die biologischen Probleme
Averden auf raumhaft-ordnungsmonistischer Basis behandelt von den neue-
sten, zwei verschiedene Abarten des Neukantianismus vertretenden Werken
von N. Hartmann (Philos. Grundfragen d. Biol., Göttingen, 1912) und
R. Kroner (Zweck und Gesetz in d. Biol., Tübingen 1913), beide noch ohne
Bezugnahme auf die in meiner Ordnungslehre (1912) mitgeteilte Lehre vom
Werden verfaßt. Auf die Sonderprobleme, welche mich zum Vitalismus
führten, gehen beide Autoren nicht irgendwie im Intimen ein; das Grund-
prinzip des „Mechanismus“ wird einfach hingesetzt (bei Hartmann z. B.
S. 27 und 63, bei Kroner S. 41, 133, 149 f.).