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Driesch, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1914, 1. Abhandlung): Über die grundsätzliche Unmöglichkeit einer Vereinigung von universeller Teleologie und Mechanismus — Heidelberg, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.33291#0023
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Unmöglichkeit einer „Vereinigung“ von Teleologie und Mechanismus. 15

hängigkeiten. Es ist also auch kein Platz für die Wendung ,,es
wäre möglich gewesen“; denn nichts ist „möglich gewesen“, als
das, was wirklich geworden ist.

Es ist klar, daß, wie für Gesetze überhaupt, so auch für den
„Vitalismus“, als eine besondere Art der Gesetzlichkeit, hier kein
Platz ist; also auch kein Platz für die durckaus mit dem Begriffe
der morphogenetischen „prospektiven Potenz“, also mit dem Mög-
lichkeitsbegriffe, arbeitenden ,,Beweise“ des Vitalismus. An ihre
Stelle tritt vielmehr folgende ganz seltsame Erwägung:

In dem wesentlichsten „Beweise“ des Vitalismus spielt es eine
Rolle, daß ,,Ich“, cler ,,Experimentator“, es bewirke, daß ein
Eiteil, welcher sonst den halben (oder den viertel, oder den drei-
viertel) Organismus gebildet ,,haben würde“, nunmehr den ganzen
Organismus, in Verkleinerung, liefert; eben das, so sagt der Be-
weis, ist auf Grund einer präformierten Maschine nicht verständ-
lich. Nun soll für den All-Monismus das „gebildet haben würde u
keinen Sinn haben, denn nur Wirklichgewordenes soll ,,möglich“
gewesen sein. Also handelt es sich überhaupt nicht um die Frage
,,Maschine oder Nicht-Maschine“, denn alles Einzelne, was es
überhaupt gibt, war als dieses vorausbestimmt. Wenn dem aber
so ist, nun, dann ist auch vom Anfang der Dinge an
voraus bestimmt, daß Ich, der Experimentator, ge-
rade von diesem einen unter den Millionen Eiern die
Hälfte (oder ein Viertel, oder Dreiviertel) fortbringe, und claß
der Rest sich verkleinert - ganz entwickelt, als oh da
da ein vitalistisches Gesetz vorläge. Kein ,,Gesetz“ ist da, aber
eine ganz seltsame Ganzheits-Zuordnung zwischen diesem einen
Ei und mir. Und ,,wozu“ diese Zuordnung ? Denn doch wohl
letzten Grundes so recht, um den Forscher zu täuschen, ihn zur
Aufstellung der falschen Begriffe Gesetz und Möglichkeit zu
veranlassen!

Eine seltsame „Universalteleologie“, wahrlich, und eine selt-
same Anmaßlichkeit 1 bei dem Forscher, der sie annimmt! Ein

1 Ganz Entsprechendes gilt natürlich für den Experimentator im
Gebiete des Unbelebten. Der Universalordnungsmonismus, dem jede Ein-
zelheit des Wirklichen diese bestimmte eine in einer Ganzheit ist, muß es hier
als durch die Ganzheit vorherbestimmt ansehen, daß dieser Experimen-
tator eben jetzt gerade diesen Vorgang einleitet und alsdann, fälschlich, ein
„Naturgesetz“ aufstellt, wo in der Tat nur eine nicht irgendwie als all-
gemeingültig verbürgte Schein-„Gesetzlichkeit“ vorlag.
 
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