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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1914, 12. Abhandlung): Eros und Psyche in der ägyptisch-griechischen Kleinkunst — Heidelberg, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.33315#0013
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Eros und Psyche.

13

Malirmng im Nachwort meines Büchleins bewegen ließ, den
hellenistischen Kunstwerken etwas Beachtung zu schenken. So
waren, fürchte ich, seine Ausführungen im Grunde antiquiert,
ehe sie gedruckt wurden.

Aber auch der Auffassung der Erzählung als uraltes Märchen
ist der dargelegte Befund in der ägyptisch-hellenistischen Kunst
nicht gerade günstig. Nur daß keine bildliche Darstellung eine
Erzählung von Eros und Psyche vorauszusetzen schien, ermög-
lichte es Friedländer, die Erzählung ganz von der künstlerischen
,,Allegorie“ zu trennen, die nur einem willkürlich schaffenden
Autor die Namen geboten habe; das Märchen kennt nicht den
Gott und nicht die ,,Seele“, nur Königssohn und Königstochter.
Also ist klar, daß jene im Eingang besprochenen Darstellungen alle
von der literarischen Schöpfung jenes Autors abhängen müssten.
Wir kommen in dieselbe Verlegenheit wie bei der Annahme des
frei erfundenen „Götterromans“. Ich kann es als keine genügende
Erklärung betrachten, wenn von der Leyen 1 jetzt vermutet, das
ganze Psyche-Märchen habe sich aus dem Motiv von dem Verbote
entfaltet, das Psyche übertritt, dem Verbote nämlich, nachts die
Gestalt des Geliebten zu betrachten. ,,Denn dies Motiv ist sehr
alt; wir finden ein sehr ähnliches schon in den altindischen Hymnen
des Rigveda, und ich weiß noch immer keine einleuchtendere Er-
klärung dafür als die, daß die Erlebnisse des Traumes es geschaffen;
im Traum glaubt man den Geliebten zu besitzen und zu genießen,
wenn man erwacht, ist er verschwunden 2. Da nun auch die
Wanderungen und die unlösbaren Aufgaben, zu denen Psyche
verurteilt wird, nach meiner Überzeugung zuerst im Traum ge-
litten und gestellt wurden, und da auch der Zug, daß ein Wesen
stürzt und fällt und daß es in namenlos schöner Umgebung er-
habe ohne jeden erdenklicheh Anlaß die ganze Geschichte seiner Familie
hier so getreu erzählt, daß wir danach das Jahr des Erscheinens seines Werkes
berechnen könnten; Apuleius habe das gedankenlos mitübersetzt und später
vergessen, daß uhd was er übersetzt habe. Mir ist ein griechischer Schrift-
steller, der sich im Eihgahg einer Wundererzählung so vorstellt, daß er in
zwecklosester Breite ein Stück Familienchronik vorträgt, ebenso unbegreiflich
wie der römische, der so geschmacklos und gedankenlos war, das mitzuüber-
setzen und das Werk dabei als sein eigen zu bieten. Das Verhältnis des
Apuleius zu seiner Quelle, das Helm einfach voraussetzt, denke ich mir anders.
Wozu dann auf die Künsteleien eingehen, die bei den Folgerungen notwendig
waren!

1 Bayrische Hefte für Volkskunde I (1914), S. 60ff.

2 von der Leyen verweist auf sein Buch ,,Das Märchen“, S. 41.
 
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