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Güntert, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1914, 13. Abhandlung): Über die ahurischen und daēvischen Ausdrücke im Awesta: eine semasiologische Studie — Heidelberg, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.33316#0003
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1. Es ist eine der auffallendsten Erscheinungen des awesdschen
Sprachgebrauchs, daß entsprechend der dualistischen Weltauf-
fassung Zara'&ustras in gewissen Fällen für einen und denselben
Begriff oder für die gleiche Tätigkeit zwei yerschiedene Wörter
gebraucht werden, je nachdem es sich um Gläubige oder Ungläubige,
um Anhänger des Ahura Mazdäh oder des Anra Maimyu handelt.
Diese Spaltung der gesamten Welt in allen ihren Erscheinungen
in das Machtbereich des guten Geistes und seines teuflischen Zwil-
lingsbruders beherrscht nicht nur das ganze Denken und Fühlen
der Parsen, sie spiegelt sich auch als getreues Abbild dieser Denk-
weise in der Sprache ihrer heiligen Schriften wieder: Eine Eigen-
schaft, eine Handlung eines MazdähVerehrers muß grundverschie-
den sein von dem Besitz oder dem Tun eines DragGenossen; das
sind Gegensätze wie Licht und Dunkel, wie Tag und Nacht. Folglich
bestrebten sich auch die gläubigen Yerfasser des Awesta, diesen
schroffen Gegensatz aller Erscheinungsformen der Welt in der
Sprache zu veranschaulichen. Synonyme Ausdrücke begegnen zu
allen Zeiten im Sprachleben 1, daß aber Synonyme derartig einem
religiösen Zwecke dienstbar gemacht wurden, ist einzigartig und
verdient eine besondere sprachwissenschaftliche Untersuchung 2.

1 Als allgemeine Parallele ließe sich wohl an den Unterschied erinnern,
den Homer und seine Nachahmer zuweilen zwischen Götter- und Menschen-
sprache machen; ich erwähne vor allem die bekannte Stelle Y 74:

ov Savhov xaAsoufft, heot, avSpsp Se Sxap.avSpov.

Ähnlich Ovid, Met. 11, 40 f.:

Hunc Icelon superi, mortale Phobetora vulgus

Nominat.

Auch auf das Zauberkraut könnte man hinweisen: jxcoZu 8£ [iiv xaZeouoi
heoi x 305 = Ovid, Met. 14, 292: Moly vocant superi.

Ferner mache ich auf den Gegensatz von ly&P gegenüber alp,a auf-
merksam, das Homer E 339 f. selbst erklärt:

pss S’ ajxßpoTov al[xa hsoio,
l^cop, olop xsp ts pssL [xaxdpeoat, -9-eotaiv.

Doch wird sich zeigen, daß dieser Gegensatz von unserem Problem ganz
wesensverschieden ist.

2 Meinem hochverehrten und lieben Lehrer, Herrn Prof. Bartholomae,
der die Korrektur mitgelesen und mir dabei zahlreiche Winke und Rat-
schläge gegeben hat, sei auch hier mein herzlichster Dank gesagt.

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