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Güntert, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1914, 13. Abhandlung): Über die ahurischen und daēvischen Ausdrücke im Awesta: eine semasiologische Studie — Heidelberg, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.33316#0004
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4

Hermann Güntert:

2. Es gab seit indogermanischer Zeit von anderen abgesehen
zwei synonyme Wörter für ,,Sohn“: einmal das Wort, das sich später
zu ai. puträ- ,,Sohn“, aw. pu rdra- 1 dss., paelign. puclois 'pueris’ wan-
delte, und dessen Stamm auch in ai. potaka- ,,Junges“, lat. pullus,
pütus, abg. pztica ,,Vogel“, lit. putytis „junges Tier“, lett. putns
,,Vogel“ u. a. vorliegt, andererseits die gemeinsame Vorform unseres
nhd. Wortes Sohn, got. sunus, aisl. sonr, ai. sünü-, av. hunu-, abg.
sym, lit. sünus, alle mit der Bedeutung fSohnh Wer die Bedeu-
tungen dieser beiden Wortgruppen näher prüft, dem kann zwar nicht
der einstige Unterschied in ihrem Grundsinne entgehen: idg.
*sünus „Sohn“ ist auf Menschen eingeschränkt, während idg. *putlos
ursprünglich etwa „Junges, Sproß“ bedeutet haben mag und be-
sonders von Tieren gebraucht worden war. Allein dieser alte Unter-
schied war in der arischen (d. i. indoiranischen) Sprachgemeinschaft
sicher erloschen: im Rgveda sind puträ- und sünu- ganz gleich-
wertig, sie stehen beide noch in frischem, blühenden Leben, und
insbesondere ist auch puträ- durchaus auf Menschen beschränkt.
Sieht man sich aber den Gebrauch der entsprechenden altiranischen
Wörter im Awesta an, so sind zwar beide Formen wohl erhalten,
aber in seltsamer Weise verteilt: pw&ra- wird nur bei Söhnen
u/mrischer Wesen, hunu- dagegen ebenso ausschließlich bei den-
jenigen daevischer Geschöpfe angewandt: Eine scharfe Grenze
trennt hier die alten Synonyme, die im Altindischen beliebig mit
einander hinsichtlich ihres Sinnes vertauscht werden können. Wie
ist das gekommen ? Ist dies etwa reiner Willkür der gelehrten
zoroastrischen Priester zuzuschreiben ? Warum hat man gerade
in dieser Weise, und nicht umgekehrt spezialisiert ? Wie war es
überhaupt möglich, der Sprache in dieser Beziehung Gewalt an-
zu tun ?

I.

3. Der einzige, der bis jetzt versucht hat, diese schwierigen
Fragen zu beantworten, war Leo J. Frachtenberg: im 'Spiegel

1 Ich sehe eiüstweilen keinen Grund, die Wörter des sasanidischen
Awesta in einem erschlossenen, vorsasanidischen Lautgewande zu geben, das
doch auch beiANDREAS selbst noch mit recht vielen rz-Zeichen geschmückt
und zudem vielfach ganz von subjektivem Ermessen, d. h. von der Deutung
und Etymologie abhängig ist. Übrigens spielt die Frage, ob man etwa das
Wort zafar- (s. § 10) so oder zufa xr liest, für die behandelte Frage keine Rolle.
Vgl. auch Verf., Reimwortbildungen, S. 8 Fußnote.
 
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