Metadaten

Güntert, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1914, 13. Abhandlung): Über die ahurischen und daēvischen Ausdrücke im Awesta: eine semasiologische Studie — Heidelberg, 1914

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33316#0020
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
20

Hermann Güntert:

währenden Gebrauche sein anfangs etwa vorhandenes Begleitgef'ühl
längst eingehüßt, es bezeichnet nur noch den Gegenstand oder die
Tätigkeit schlechthin ohne lobenden oder günstigen Nebensinn.
Solche hinsichtlich cles Begleitgefühles indifferenten Wörter können
dann gelegentlich auch bei daevischen Schöpfungen Anwendung
finden. Um diesen Unterschied der Deutlichkeit wegen an einem
Beispiel aus der Muttersprache zu veranschaulichen, so ist nhd.
Pjerd ein solch indifferentes Wort der gewöhnlichen Yolks- d. h. in
diesem Falle der Schriftsprache. Von den in der Schriftsprache üb-
lichen Ausdrücken wäre Roß dagegen ein „edleres“, ,,poetischeres“
Wort, Klepper oder Mähre aber wäre als ein ,,niedriges“ Wort mit
verächtlichem Nebensinne anzusehen. In den nhd. Dialekten frei-
licli, bei denen noch das Synonym Gaul eine Rolle spielt, ist clie
Verteilung von der in der Schriftsprache durchaus verschieden: es
gibt Dialekte, in denen z. B. Roß einen unangenehmen Nebensinn
hat und wohl gar als Schimpfwort gebraucht wird. Unter den im
MwestoStil lierrschenden Verhältnissen wäre, wenn wir von der
Verteilung dieser Synonyme in der nhd. Schriftsprache ausgehen,
Roß als ahurischer, Klepper oder Mähre dagegen als daevischer
Sonderausdruck geeignet, während Pferd oder Gaul olrne allzu
scharfen Unterschied von Tieren beider Schöpfungsklassen als
allgemein geltende Ausdrücke gesagt werden könnten. Ähnlich
verhalten sich Antlitz : Gesicht : Fratze.

Ein Mittel, um die Lebenskraft eines aweshschen Wortes fest-
zustellen, haben wir insofern, als wir prüfen können, ob es in der
späteren iranischen Sprachentwicklung sich erhalten hat: ist
ein Wort etwa schon im Pahlawi nicht mehr nachweisbar, dann
stand es sehr wahrscheinlich auch in der Abfassungszeit des Awesta
nicht melir in voller Kraft, wenn man auch bereitwillig Ausnahmen
von diesem allgemeinen Grundsatz einräumen muß.

30. Aw. döißra- (ahur.) war eine iranische Neubildung zu dem
alten Verbum aw. df-, ai. dhl- „scheinen“ in didheti „scheint, nimmt
wahr“, np. qüoJ dldan, vgl. auch np. »Jyjo dida „Auge“ —
eine ganz älmliche Wortschöpfung, wie unser nhd. (dial.) Guckerl
„Auge“, oder wie ai. locana-: Iksana-, drsti- u. a. Als neu aufge-
kommenes Wort war es offenbar mit ziemlich starkem Gefühls-
exponenten versehen und „gewählter“ als das alte, ahgegriffene
Wort as- (vgh ai. äksi-, böot. oxTakoq „Auge“), das so herabgedrückt
wurde: die Mode herrscht auch irn Sprachleben! In der Tat ist
as- im späteren Iranisch nicht nachweisbar, während wenigstens
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften