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Heinrich F. J. Junker:
hier oben im Gebirge zwischen kahlen Steinwänden und Geröll
doppelt fühlbar macht, würde ohne Berieselung alles, was die Nacht
geboren, verbrennen. Und trotz aller Mühe ist der Ertrag gegen
Beginn des August hin durchaus ärmlich. Wenig über 30 cm hoch
kommen in günstigen Fällen die Halme zu stehen, und der mit
Steinen durchsetzte Grund verhindert meist, dah sie sich clrängen.
Mit einer eigentümlichen, flach gekrümmten Sichel bewaffnet macht
sich der Yapntbl an die Ernte, packt die Halme büschelweise beim
Schopf und trennt sie mit einem Ruck des stumpfen Werkzeugs
vom Boden. Und so muß die Körnerfrucht gesammelt werden, aus
der dann das pflanzliche Hauptgericht, der Brotkuchen, gemacht
wird. Langt das Mehl nicht, so setzt man den öligen Samen einer
cilldJc genannten Pflanze hinzu, wodurch clas Brot zwar schwärzer,
aber selbst für einen asiatischen Gaumen unschmackhafter wird.
Immer ist es eine Art Fest, wenn man einen Hammel schlachten kann,
dessen Kochsud mit sartischem Tee, Milch und etwas Grünzeug
(Sellerie usw.) vermischt eine in Holzschüsseln aufgetragene und
vermittelst Holzlöffel oder Brotstücken genossene Yeine' Speise,
sircäi, abgibt, wozu oft noch kaltes Hammelfleisch uncl Brot ge-
geben wird. Irn übrigen genief3t man Milch oder Quark, in denen
nur zu häufig Spuren ihrer tierischen Herkunft ein unbekämpftes
Dasein führen. Brot, grüner Tee, Miich und etwas Hammel oder
ein Hahn, das ist der stänclige Speisezettel. Trotzdem sind die
Leute sehnig und kräftig und vorzügliche Bergsteiger. Während
der heißen Mittagszeit ist allerclings mit ihnen nichts anzufangen;
da schlafen sie, wenn möglich im Freien, im Schatten eines Baumes,
von denen es im YaYnäb immerhin noch einige gibt, der früher
betriebenen rücksichtslosen Abholzung zum Trotz. — Es ist klar,
daß die geschilderten natürlichen Lebensbedingungen nichts ent-
halten, was clem unter ihrem Drucke stehenden YaYntbi ein An-
sporn zu geistiger Regsamkeit sein könnte, wohl aber vieles, was
auf eine solche erdrosselnd wirken muhte.
6. Auch clie auf den holien Schulen des Islam gebildeten
religiösen Lehrer, unter clen gegebenen Verhältnissen die natürlichen
Träger geistiger Kultur, sind nichts weniger als dazu angetan, ihrem
natürlichen Beruf zu entsprechen. Sie sind faul und gewinnsüchtig
und wissen von dem Koran nicht gerade viel. Dafür kennen sie
allerhand einem ursprünglicheren Glauben entsprossene Mittel und
Wege, die eine Art Fernwirkung auf die Seele des Angerufenen
ausüben sollen. So bringen sie Tieropfer dar und befassen sich mit
Heinrich F. J. Junker:
hier oben im Gebirge zwischen kahlen Steinwänden und Geröll
doppelt fühlbar macht, würde ohne Berieselung alles, was die Nacht
geboren, verbrennen. Und trotz aller Mühe ist der Ertrag gegen
Beginn des August hin durchaus ärmlich. Wenig über 30 cm hoch
kommen in günstigen Fällen die Halme zu stehen, und der mit
Steinen durchsetzte Grund verhindert meist, dah sie sich clrängen.
Mit einer eigentümlichen, flach gekrümmten Sichel bewaffnet macht
sich der Yapntbl an die Ernte, packt die Halme büschelweise beim
Schopf und trennt sie mit einem Ruck des stumpfen Werkzeugs
vom Boden. Und so muß die Körnerfrucht gesammelt werden, aus
der dann das pflanzliche Hauptgericht, der Brotkuchen, gemacht
wird. Langt das Mehl nicht, so setzt man den öligen Samen einer
cilldJc genannten Pflanze hinzu, wodurch clas Brot zwar schwärzer,
aber selbst für einen asiatischen Gaumen unschmackhafter wird.
Immer ist es eine Art Fest, wenn man einen Hammel schlachten kann,
dessen Kochsud mit sartischem Tee, Milch und etwas Grünzeug
(Sellerie usw.) vermischt eine in Holzschüsseln aufgetragene und
vermittelst Holzlöffel oder Brotstücken genossene Yeine' Speise,
sircäi, abgibt, wozu oft noch kaltes Hammelfleisch uncl Brot ge-
geben wird. Irn übrigen genief3t man Milch oder Quark, in denen
nur zu häufig Spuren ihrer tierischen Herkunft ein unbekämpftes
Dasein führen. Brot, grüner Tee, Miich und etwas Hammel oder
ein Hahn, das ist der stänclige Speisezettel. Trotzdem sind die
Leute sehnig und kräftig und vorzügliche Bergsteiger. Während
der heißen Mittagszeit ist allerclings mit ihnen nichts anzufangen;
da schlafen sie, wenn möglich im Freien, im Schatten eines Baumes,
von denen es im YaYnäb immerhin noch einige gibt, der früher
betriebenen rücksichtslosen Abholzung zum Trotz. — Es ist klar,
daß die geschilderten natürlichen Lebensbedingungen nichts ent-
halten, was clem unter ihrem Drucke stehenden YaYntbi ein An-
sporn zu geistiger Regsamkeit sein könnte, wohl aber vieles, was
auf eine solche erdrosselnd wirken muhte.
6. Auch clie auf den holien Schulen des Islam gebildeten
religiösen Lehrer, unter clen gegebenen Verhältnissen die natürlichen
Träger geistiger Kultur, sind nichts weniger als dazu angetan, ihrem
natürlichen Beruf zu entsprechen. Sie sind faul und gewinnsüchtig
und wissen von dem Koran nicht gerade viel. Dafür kennen sie
allerhand einem ursprünglicheren Glauben entsprossene Mittel und
Wege, die eine Art Fernwirkung auf die Seele des Angerufenen
ausüben sollen. So bringen sie Tieropfer dar und befassen sich mit