Mitteilungen aus der Freiburger Papyrussammlung I. 41
anderen Winkel der Literatur, in der ernsthaften Novelle, wie sie
Herodot vorübergehend in dieLiteratur einführt 1. Eben als Novelle
verlangte sie dieAnpassung an das tägliche Leben und den histori-
schen Hintergrund. Aber sie entbelirt der direkten, der mimetischen
Form.
Erst die neue Komödie hat das bürgerliche Schauspiel
geschaffen durch jene eigentümliche Yerbindung cler Kunst des
Euripides mit der Ahtäglichkeit der Komödie. Wir kennen jetzt
aus Menander, was uns die Gaptivi schon ahnen ließen. Es gab,
wenn nicht Stücke, so doch Szenen, die sich von der Tragödie
nur durch den nicht heroischen Stoff unterschieden. So in der
Perikeiromene; man ahnt die Möglichkeit einer weiteren frucht-
baren Entwicklungin dieser Richtung, die nur deshalb nicht erkannt
werden kann, weil die Produktion im Mimus unliterarisch wurde,
wenn wir unter Literatur die lesenswerte, für dauernde Erhaltung
hestimmte Bibliotheksliteratur verstehen. Das, was den Mimus
von Tragödie und Komödie in gleicher Weise trennt, ist sein Augen-
blickswert, der kaum beansprucht, mehr als einmal gewürdigt zu
werden, und rasch, wie er entstanden, auch wieder vergessen wird.
AIs Abhild der Gegenwart vergeht er mit ihr. Man hat diese zeit-
weilig reiche Produktion erst künstlich literarisch maclien müssen,
sonst würden wir unmittelbar von ihr überhaupt nichts wissen.
Neben dem Mimus herrscht das Prinzip der Formlosigkeit
nochin einer anderen Kunstgattüng, die ebenfalls ganz unliterarisch
entsteht, um sich erst allmählich ihre Daseinsberechtigung in der
großen Literatur zu erkämpfen, in der Diatribe. Ihrer Herkunft
nach verwandt mit dem sokratischen Dialog — denn auch das
waren Diatriben, wenn S. mit seinen jungen Freunden redete —-,
stammt sie aus dem Leben und verdankt lhre Wirkung der Frische
ihrer Mimesis, mit der sie der stilisierenden großen Kunst energisch
Konkurrenz macht. Mimus und Diatribe sincl die hellenistischen
Formen der Kunst im Alltagskleide 2. Beide sind literarisch ge-
1 Man vergleiche jetzt z. B. den „Tyrannen“ VOn H. Lilienfein
(Stuttgart-Berlin 1913) mit der Periandernovelle Herod. 3,50 ff.
2 Auch die Stoa hat sich dieser Form bemächtigt, deren äußeres
Gewand sich von dem der Komödie kaum unterschied. Meinelce stellt
im 1. Bd. seiner Komikerfragmente pag. XII so ein paar Reste zusammen,
Trimeter z. T. in dialogischer Form. Interessant ist, daß auch der Stoiker
Apoilodor von Athen in seiner Chronik eine Anrede bringt (frg. 101,3 Jac.):.
Das klingt zum mindesten wie eine Reminiszenz an den Dialog; übrigens
wissen wir von der äußeren Form der Chronik, besonders von der des ersten
anderen Winkel der Literatur, in der ernsthaften Novelle, wie sie
Herodot vorübergehend in dieLiteratur einführt 1. Eben als Novelle
verlangte sie dieAnpassung an das tägliche Leben und den histori-
schen Hintergrund. Aber sie entbelirt der direkten, der mimetischen
Form.
Erst die neue Komödie hat das bürgerliche Schauspiel
geschaffen durch jene eigentümliche Yerbindung cler Kunst des
Euripides mit der Ahtäglichkeit der Komödie. Wir kennen jetzt
aus Menander, was uns die Gaptivi schon ahnen ließen. Es gab,
wenn nicht Stücke, so doch Szenen, die sich von der Tragödie
nur durch den nicht heroischen Stoff unterschieden. So in der
Perikeiromene; man ahnt die Möglichkeit einer weiteren frucht-
baren Entwicklungin dieser Richtung, die nur deshalb nicht erkannt
werden kann, weil die Produktion im Mimus unliterarisch wurde,
wenn wir unter Literatur die lesenswerte, für dauernde Erhaltung
hestimmte Bibliotheksliteratur verstehen. Das, was den Mimus
von Tragödie und Komödie in gleicher Weise trennt, ist sein Augen-
blickswert, der kaum beansprucht, mehr als einmal gewürdigt zu
werden, und rasch, wie er entstanden, auch wieder vergessen wird.
AIs Abhild der Gegenwart vergeht er mit ihr. Man hat diese zeit-
weilig reiche Produktion erst künstlich literarisch maclien müssen,
sonst würden wir unmittelbar von ihr überhaupt nichts wissen.
Neben dem Mimus herrscht das Prinzip der Formlosigkeit
nochin einer anderen Kunstgattüng, die ebenfalls ganz unliterarisch
entsteht, um sich erst allmählich ihre Daseinsberechtigung in der
großen Literatur zu erkämpfen, in der Diatribe. Ihrer Herkunft
nach verwandt mit dem sokratischen Dialog — denn auch das
waren Diatriben, wenn S. mit seinen jungen Freunden redete —-,
stammt sie aus dem Leben und verdankt lhre Wirkung der Frische
ihrer Mimesis, mit der sie der stilisierenden großen Kunst energisch
Konkurrenz macht. Mimus und Diatribe sincl die hellenistischen
Formen der Kunst im Alltagskleide 2. Beide sind literarisch ge-
1 Man vergleiche jetzt z. B. den „Tyrannen“ VOn H. Lilienfein
(Stuttgart-Berlin 1913) mit der Periandernovelle Herod. 3,50 ff.
2 Auch die Stoa hat sich dieser Form bemächtigt, deren äußeres
Gewand sich von dem der Komödie kaum unterschied. Meinelce stellt
im 1. Bd. seiner Komikerfragmente pag. XII so ein paar Reste zusammen,
Trimeter z. T. in dialogischer Form. Interessant ist, daß auch der Stoiker
Apoilodor von Athen in seiner Chronik eine Anrede bringt (frg. 101,3 Jac.):.
Das klingt zum mindesten wie eine Reminiszenz an den Dialog; übrigens
wissen wir von der äußeren Form der Chronik, besonders von der des ersten