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Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]; Aly, Wolfgang [Bearb.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1914, 2. Abhandlung): Mitteilungen aus der Freiburger Papyrussammlung: 1. Literarische Stücke — Heidelberg, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.33295#0042
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Mitteilungen aus der Freiburger Papyrussammlung I.

worden; damit beginnt ein sehr merkwürdiger Prozeß, indem sie
nun von der Kunst, der sie am allermeisten entgegenstreben, von
der Rhetorik, infiziert werden. In dem Moment, wo aus der
Schöpfung des Augenblicks ein literarisches Kunstwerk wird,
beginnt die bewußte Kunsttechnik, d. i. eben die Rhetorik, ein-
zuwirken, die nicht mehr für den Augenblick arbeitet, sondern
für die Dauer, die nicht vergessen, sondern überliefert und gelesen
sein will.

Das sind die komplizierten Bedingungen, die den zwanglosen
oder gewollt naturalistischen Dialog in die griechische Literatur
eingeführt haben. Die Bedingungen sind seit dem dritten Jahrh.
v. Ghr. gegeben. Nun haben wir, freilich in viel späterer Zeit,
Dialoge bedeutender historischer Persönlichkeiten: man wird fragen,
wie sich die Alexanderhistoriker zu dieser Möglichkeit der
Formengebung gestellt haben. Haben sie diese Tendenzen auf sich
wirken lassen oder nicht ? Der Verlust aller wesentlichen Literatur-
werke rnacht es uns unmöglich, diese Frage mit ja zu beant-
worten, soviel auch indirekt dafür spricht; vgl. S. 43 Anm. 1.
Nur soviel darf man sagen, daß wir nach den dialogischen Bioi des
Satyros (Oxyr. Pap. IX) und anderen Dingen geneigt sind, dieser
reichen Zeit eher zu große als zu geringe Mannigfaltigkeit zu-
ziitrauen.

Das zweite Jalirhundert hat andere Ideale gehabt. In Polybios
und den Philologen von Alexandreia sehen wir den wissenschaft-
lichen Geist vordringen, dem die Form mehr und mehr in den
Hintergrund tritt. Erst die Zeit der erlahmenden Produktion,
der Klassizismus des ersten und zweiten Jahrhunderts n. Ghr.,
weist wieder auf die alten Muster zurück. Damals sind sie fast
alle noch einmal zu Wort gekommen, Herodot und Hippokrates,
Plato, Thukydides, Xenophon, und wer gar alles im Lukian steckt,
läßt sich kaum ahnen. Die belesene Zeit besaß ein unerschöpfliches
Erbe, das sie nachzuahmen formengewandt genugwar, und dünkte
sich reich, indem sie sich von der eigenen Vergangenheit anregen ließ.
Aus dieser Zeit stammt nach Maßgabe der Schriftfonnen die Nieder-
schrift unserer Papyri. Die gleiche Zeit bietet bei Philostrat,
Lukian und Dio Cassius schlagende Parallelen. Daß ich von

Buches selu wenig. Unsere Zitate, so auch das neue Genfer Bruchstiick,
stammen aus der überarbeiteten Prosafassung. Anders A. Körte im Literatur*
bericht, Archiv f. Pap. VI S. 244, im Anschluß' an F. Jacoby, B. ph. W.
1910 Sp. 1158 ff.
 
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