Die Hypothese des Unbewußten.
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liandelte es sich dabei um Schlüsse, welche gemacht werden
müßten, wenn der Vorgang ein logischer Prozeß im Bewußtsein
wäre. Aber das ist er nun eben nicht, und es ist sehr zu bedenken,
ob nicht die Annahme eines psychophysischen Mechanismus hier
geradeso weit zur Erklärung führt, wie bei der Lelire von der ein-
fachen Empfindung. Wie dort nämlich an die einzelne Nerven-
erregung ohne alle analytische Beziehung rein synthetisch die
besondere Empfindung als die psychisclie Begleiterscheinung (ich
möchte mich möglichst kategorial indifferent ausdrücken) gesetz-
mäßig gebunden ist, ebenso geliört in dem psychophysischen Me-
chanismus zu dem komplexen Gebilde sensibler und motorischer
Erregungszustände der tastenden Hand oder des ,,in die Ferne
tastenden“ Auges gesetzmäßig die Vorstellung bestimmter räum-
licher Verhältnisse. Das eine ist freilich so synthetisch und unbe-
greiflich wie das andere; aber zur Einschiebung unbewußter
Schlußtätigkeiten ist darum auch in dem einen Falle ebensowenig
genügende Veranlassung wie in dem andern.
Eben deshalb aber behält nun drittens das Unbewußte in der
psychologischen Hypothese, gerade weil sie dessen physischen Cha-
rakter aussclrließt, seine dauernde Beziehung zu der seelischen Wirk-
lichkeit. Es bedeutet kein physisch Unbewußtes; dies letztere ist
uns ja durchaus geläufig und im Rahmen der geltenden Welt-
vorstellung problemlos. Das Neue aber in der psychologischen
Hypothese ist das seelisch Unbewußte, und obwohl wir, wie gesagt,
nicht wissen, was es selbst und an sich ist, so reden wir doch von
unbewußten Vorstellungen, Gefühlen, Wollungen. Wir meinen,
wie gesagt, damit etwas, was, wenn es bewußt wäre oder würde,
sich im Bewußtsein als die bekannte Erscheinung eines Vorstellens,
Fühlens oder Wollens zu erkennen geben würde, und somit etwas,
was nach dieser potentiellen Bestimmung allein charakterisiert
werden kann. Insbesondere sind einzelne unbewußte psychische
Zustände immer nur bestimmbar durch die Analogie zu bewußten
psychischen Zuständen, mit denen sie den Gegenstand, d.h. den
seelischen Inhalt gemeinsam haben. Unsere Hypothese scheint
danach vorauszusetzen, daß die seelischen Inhalte Gegenstand der
psychischen Funktion mit der Verschiedenheit sein können, wonach
diese Funktion entweder in bewußter oder in unbewußter Tätigkeit
sich daran entfaltet.
Hält man sich in diesen methodologischen Grenzen, so be-
schränkt sich der Geltungsbereich der Hypothese des Unbewußten,
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liandelte es sich dabei um Schlüsse, welche gemacht werden
müßten, wenn der Vorgang ein logischer Prozeß im Bewußtsein
wäre. Aber das ist er nun eben nicht, und es ist sehr zu bedenken,
ob nicht die Annahme eines psychophysischen Mechanismus hier
geradeso weit zur Erklärung führt, wie bei der Lelire von der ein-
fachen Empfindung. Wie dort nämlich an die einzelne Nerven-
erregung ohne alle analytische Beziehung rein synthetisch die
besondere Empfindung als die psychisclie Begleiterscheinung (ich
möchte mich möglichst kategorial indifferent ausdrücken) gesetz-
mäßig gebunden ist, ebenso geliört in dem psychophysischen Me-
chanismus zu dem komplexen Gebilde sensibler und motorischer
Erregungszustände der tastenden Hand oder des ,,in die Ferne
tastenden“ Auges gesetzmäßig die Vorstellung bestimmter räum-
licher Verhältnisse. Das eine ist freilich so synthetisch und unbe-
greiflich wie das andere; aber zur Einschiebung unbewußter
Schlußtätigkeiten ist darum auch in dem einen Falle ebensowenig
genügende Veranlassung wie in dem andern.
Eben deshalb aber behält nun drittens das Unbewußte in der
psychologischen Hypothese, gerade weil sie dessen physischen Cha-
rakter aussclrließt, seine dauernde Beziehung zu der seelischen Wirk-
lichkeit. Es bedeutet kein physisch Unbewußtes; dies letztere ist
uns ja durchaus geläufig und im Rahmen der geltenden Welt-
vorstellung problemlos. Das Neue aber in der psychologischen
Hypothese ist das seelisch Unbewußte, und obwohl wir, wie gesagt,
nicht wissen, was es selbst und an sich ist, so reden wir doch von
unbewußten Vorstellungen, Gefühlen, Wollungen. Wir meinen,
wie gesagt, damit etwas, was, wenn es bewußt wäre oder würde,
sich im Bewußtsein als die bekannte Erscheinung eines Vorstellens,
Fühlens oder Wollens zu erkennen geben würde, und somit etwas,
was nach dieser potentiellen Bestimmung allein charakterisiert
werden kann. Insbesondere sind einzelne unbewußte psychische
Zustände immer nur bestimmbar durch die Analogie zu bewußten
psychischen Zuständen, mit denen sie den Gegenstand, d.h. den
seelischen Inhalt gemeinsam haben. Unsere Hypothese scheint
danach vorauszusetzen, daß die seelischen Inhalte Gegenstand der
psychischen Funktion mit der Verschiedenheit sein können, wonach
diese Funktion entweder in bewußter oder in unbewußter Tätigkeit
sich daran entfaltet.
Hält man sich in diesen methodologischen Grenzen, so be-
schränkt sich der Geltungsbereich der Hypothese des Unbewußten,