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Cartellieri, Otto [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1914, 6. Abhandlung): Beiträge zur Geschichte der Herzöge von Burgund: V. Fragmente aus der zweiten "Justification du duc de Bourgogne" des Magisters Johann Petit — Heidelberg, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.33309#0003
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Nach der Ermordung des Herzogs Ludwig von Orléans (23.
November 1407) herrschte am Kônigshof eitel Verwirrung und
Bestürzung. So sehr sich auch die Prinzen von Geblüt über die
Freveltat entrüsteten, keiner wagte es, an Herzog Johann von
Burgund Hand anzulegen, solange er in Paris war; keiner wagte
es, gegen ihn vorzugehen, als er sich in seinen Landen in Sicher-
heit gebracht hatte. Die Verfolgung des Môrders, welche man der
Herzogin-Witwe Valentine zusagte, blieb ein leeres Versprechen.
Johann triumphierte. Nichts anderes hatte er erwartet, als er mit
seinen Ratgebern den ruchlosen Plan faßte, sich mit Gewalt des
lâstigen Gegners zu entledigen. Ob seine Verwandten es wollten
oder nicht, sie sollten sich seinem Willen beugen. Wahrlich, dem
bejahrten Herzog von Berri und Ludwig von Anjou, dem Kônig von
Sizilien, wurde viel zugemutet, als sie schließlich mit dem Neffen
und Vetter in Amiens zusammentrafen (Januar 1408). Wie
herausfordernd trat Johann auf und wie sehr ließ er die Prinzen
ihre Ohnmacht fühlen! Von einem reumütigen Eingestândnis
der Schuld, von irgendwelchem Zugestândnis für die Familie
Orléans war gar keine Bede: kein bußfertiger Verbrecher, der die
Gnade des Kônigs erflehte, sondern der hochgemute Retter von
Kônig und Reich, der Belohnung heischte. Wie schon in Gent
vor seinen flandrischen Untertanen, so ließ auch hier in Amiens
Johann vor den Prinzen und dem Volke ôffentlich seine Recht-
fertigung vortragen. Das gleiche sollte in Paris geschehen. Was
blieb den Prinzen übrig! Die ôffentliche Meinung war für den
Mörder, es hieß gute Miene zum bôsen Spiele machen.

Johann erreichte schließlich alles, was er verlangte. Wie ein
Sieger zog er in die Hauptstadt ein. Am 8. Mârz 1408 fand sich

* Herr Stud. W. Holtzmann hatte die große Freundlichkeit, mir die
Abschrift der Brüsseler Handschrift sowie die Yergleichung des Pariser
Codex zu besorgen und mir bei den Yorarbeiten zu helfen: ihm sei für seine
Mühewaltung herzlichst gedankt. Ich habe dann noch zu danken: Herrn
Professor Dr. F. Schneegans für die Durchsicht des Textes; den Vorstân-
den der Archives Départementales de la Côte d’Or, der Handschriftenabtei-
lungen der Bibliothèque Nationale in Paris und der Bibliothèque Royale
in Brüssel für ihr liebenswürdiges Entgegenkommen.

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