Metadaten

Cartellieri, Otto [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1914, 6. Abhandlung): Beiträge zur Geschichte der Herzöge von Burgund: V. Fragmente aus der zweiten "Justification du duc de Bourgogne" des Magisters Johann Petit — Heidelberg, 1914

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33309#0004
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
4

Otto Cartellieri:

im Hotel Saint-Paul ein, wer nur immer von Rang und Stand in
Paris zu treffen war. An Stelle des kranken Vaters führte der
Dauphin den Vorsitz. Der Magister Johann Petit trug in mehr-
stündiger Rede die Justification du duc de Bourgogne 1 vor,
die berüchtigte Verherrlichung des Tyrannenmordes, welche weit
über Frankreichs Grenzen hinaus Unheil angerichtet, welche das
Konstanzer Konzil in verhängnisvoller Weise gestôrt hat.

Von dem Satze: Radix omnium malorum cupiditas ausgehend,
bestrebte sich Petit, in seinem Syllogismus nachzuweisen, daß
Herzog Johann nicht nur das Recht, sondern die Pflicht hatte,
Ludwig von Orléans als wahren Tyrannen zu töten. Nach Aufzâh-
lung aller môglichen Untaten und Vergehenkam er zu dem Ergebnis,
daß Ludwig Majestätsverbrecher im 1., 2., 3. und 4. Grade sei,
und forderte, daß der Kônig nicht nur mit dem Vorgefallenen
zufrieden sein müsse, sondern es ausdrücklich gutheißen solle.
Johann sei zu belohnen, gleichwie der Erzengel Michael, der den
abtrünnigen Luzifer zu Fall gebracht habe.

,,Si fut adonques fait grant murmure dedens la ville de Paris,
tant des princes et nobles hommes, comme du clergié et de la
communaulté, et y fut plusieurs et diverses opinions. Car ceulx
qui tenoient le parti du duc d’Orléans disoient icelles accusacions
estre faulses et decevables, et ceulx tenans le parti du duc de
Bourgongne maintenoient le contraire.“ So schreibt der Chronist
Monstrelet 2.

Doch kein Einspruch nutzte etwas. Als der Konig seinen
Anfall überwunden hatte, empfing er seinen Vetter von Burgund
in Audienz, versicherte ihn seiner besonderen Huld und gewâhrte
ihm ohne weiteres Straflosigkeit. Zähneknirschend mußten sich
die Anhânger des Hauses Orléans zufrieden geben. Erst nach

1 Eine Liste der Handschriften, welche sich aber noch vervollstândigen
ließe, gibt Coville, Justification 72 ff. Eine Papierhandschrift saec. XV.

dieser ersten Justification und auch der Proposition des Abtes von Cerisi
befindet sich im Antiquariat des Herrn L. Rosenthal in München. —• Beide
Texte sind in die Chronik des Monstrelet (I 178 ff. und 269 ff.) aufgenom-
men, aber fehlerhaft und verstümmelt. Einige Bruchstücke der Justification
hat auch Cochon 224 ff. ; ein lateinischer Text ist in Gersonii Opera V col.
15 ff. — Eine kritische Ausgabe würde vielleicht noch manches Interessante
bringen. An einigen Stellen weise ich auf Verbesserungen hin, welche die
bisher benutzten Hss. boten: Brüssel, Bibliothèque Royale nr. 12 881 saec.
XVII (= E) und nr. 4373 saec. XV (= F); so S. 40 Anm. 5. — Ich gebe in
dieser Abhandlung nur die notwendigsten Belege. 2 I 243.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften