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Cartellieri, Otto [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1914, 6. Abhandlung): Beiträge zur Geschichte der Herzöge von Burgund: V. Fragmente aus der zweiten "Justification du duc de Bourgogne" des Magisters Johann Petit — Heidelberg, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.33309#0005
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Beiträge zur Gescliichte der Herzöge von Burgund.

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Monaten winkte ihnen die Hoffnung, sich rächen zu können. Der
Kampf zwischen dem Elekten Johann von Lüttich und dessen
unbotmäßigen Untertanen gestaltete sich so gefährlich, daß
Herzog Johann sich genötigt sah, Paris zu verlassen und dem be-
drängten Schwager zu Hilfe zu eilen. Jubelnd begrüßte die Königin
Isabeau, die an die Spitze der Unzufriedenen getreten war, seinen
Fortgang. Sie kehrte nach Paris zurück, wo auch die Herzogin-
Witwe Valentine mit den Kindern eintraf. Am 11. September
1408 fand im Louvre eine feierliche Versammlung statt. Jetzt
lauschte Universität und Parlament, Militär und Bürgerschaft
den Anwälten des Hauses Orléans. Zunächst wandte sich in langer,
gelehrter Rede 1 der Abt Thomas von Cerisi gegen die Behauptun-
gen des Magisters Petit und erklärte sie sämtlich als unbegründet
und haltlos, als falsch und erlogen. Dann stellte der Advokat und
Rat Cousinot den Strafantrag: tiefste Demütigung dem Misse-
täter, Buße von einer Million Goldschillinge, zunächst Gefängnis,
dann Verbannung.

Wiederum wurde die Sühne zugesagt, und wiederum kam es
nicht dazu. Denn nicht gedemütigt als Besiegter, wie die Königin,
die Herzogin Valentine und ihr Anhang es erwartet hatten, ging
Herzog Johann aus dem Kampfe mit den Lüttichern hervor:
am 23. September errang er bei Othée einen glänzenden Sieg.
Seine Tapferkeit brachte dem Sohne Philipps des Kühnen den
stolzen Beinamen ,,ohne Furcht“ ein. Der Hof hielt es für geraten,
sich nach Tours zurückzuziehen und die Hauptstadt vor dem Bur-
gunder zu räumen. Von neuem tönten die Freudenrufe der Pariser
ihrem Liebling entgegen. Sofort machte sich Johann daran, die
Herrschaft zu gewinnen.

In dieser Zeit, da daran gedacht wurde, mit allen abzurechnen,
die für den Ermordeten eingetreten waren, mag zuerst der Gedanke
aufgetaucht sein, der Replik des Abtes von Cerisi eine Duplik
gegenüberzustellen. Der burgundische Rat ging mit der Absicht
um, in einer dritten öffentlichen Versammlung vor dem Könige
die Mordtat von neuem zu rechtfertigen 2. Johann durfte es doch

1 In Monstrelet I 269 ff.

2 Petit geht von dieser Voraussetzung aus und apostrophiert stets
den König, so S. 16. — Die eine im Departementalarchiv in Dijon (Cöte
d’Or B 11 614, Papier, 15. Jh. 8 Blätter) verwahrte Arbeit beginnt: En
tamps passé à moi [fu] dit que monsegneur de Bourgoingne se devoit vers
Paris retraire et que l’en feroit replique encontre la response ou proposition
 
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