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Driesch, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1915, 11. Abhandlung): Zur Lehre von der Induktion — Heidelberg, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.34070#0029
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Zur Lelnre von der Induktion.

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Gedächtnisirrtum ganz abgesehen^ — zwei Arten des Irrtums,
beide auf Aussagen über Naturwirkiiches sich beziehend, geben
kann.
Die üblicbe Lehre aber ist hier, wie wir sagten, gar zu einfach,
weil sie ein unvollständiges Wissen hinsichtlich der räumlichen
und der zeitlichen Verteiiung der in Frage kommenclen ,,Fälle"
ohne weiteres auf gleiche Stufe stellt.
Gewiß, ich kenne Schwäne und elektrische Ströme nicht
,,ahe", weder mit Rücksicht auf ihre raumhafte Verteilung, noch
mit Rücksicht auf ihre zeitliche, in Vergangenheit und Zukunft,
und deshalb kann ich mich ,,irren", indem ich das Merkmal ,,weiß"
in den Begriff ,,Schwan" als aufnehme, oder, wenn
ich ein Anfänger in der Physik bin und von OERSTEDTS Entdeckung
nicht weiß, das Verhältnis zum Magnetismus in die Kennzeich-
nung des ,,elektrischen Stromes" als konstitutiv aufzunehmen
unterlasse.
Aber kann ich mich nur wegen meines Noch-nicht-Wissens
um ,,alle" Fälle irren ? Ist das ohne weiteres evident, daß ich mich
nur seinetwegen irren kann?
Mir scheint, schon daraus, daß MiLL und seine Anhänger
die ,,Gleichförmigkeit der Natur" ausdrücklich zur Grundlage
aller Gültigkeit von Induktionsergebnissen gemacht haben, geht
hervor, daß es noch. eine, und zwar eine viel tiefere, Art des Irr-
tums geben kann als nur den auf das Noch-nicht-Kennen ,,aller'*
Fälle in der als gleichförmig vorausgesetzten Natur gegründeten.
Ist denn der Satz von der ,,Gleichförmigkeit der Natur" ein
,,apriori" evidentes Postulat im Sinne eines Grundsatzes, der
Erfahrung überhaupt erst möglich macht ? Wir wissen es schon:
er ist es ganz und gar nicht. Wir wissen vielmehr, daß MiLL, ob
er schon Unrecht hatte, diesen Satz selbst für ein Induktions-
ergebnis zu halten, doch insofern, gleichsam negativ, Recht hatte,
als er den Satz von der Naturgleichförmigkeit jedenfalls nicht
für selbsteinleuchtend im allerletzten, ursprünglichsten Sinne hielt.
Für die Logik selbsteinleuchtend, weil Voraussetzung der
Möglichkeit ihrer Anwendung auf Vufur überhaupt, ist nur die
eindeutige Bestimmtheit des naturwirklichen Seins und Gesche-
hens, aber gar nichts weiter. ,,Gleichförmigkeit" von Naturge-
^ Der auf Gedächtnistäuschungen beruhende ,,Irrtum" ist durchaus
eine Sache für sich. Die Lehre vom irrmm wird in Bälde vor mir ausführlich
behandelt werden.
 
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