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H. Driesch:
setzen durch die Zeit hin, anders gesagt: Unabhängigkeit der
Naturgesetze von der Zeit, vorauszusetzen aber ist so weit ent-
fernt davon ein Ur-Postulat der Natur-Logik zu sein, daß diese
Voraussetzung vieimehr dem Begriff einer Evhuuc/chwg des Natur-
ganzen, der denn doch wahriich ein legitimer Ordnungsbegriff
ist, durchaus widerspricht.
,,Es gibt" auf bestimmte Zeit hin gtdtige ,,Gesetze" in der
Natur. Gut — das ist jedenfads bis jetzf so gewesen. Wir ver-
stehen nicht, weshalb es so gewesen ist, und wir wissen ganz und
gar nicht, daß es so zu sein braucht.
Wir können also mit Rücksicht auf den Giauben an die
GhJhgAeh von Naturbegriffen, weil, obschon wir ,,alle" Fälle
in Vergangenheit und Gegenwart kannten, doch eine
Gültigkeit für die Zukunft nicht besteht — denn in der Zukunft
gibt es einmal einen Entwicklungsschritt, der bis dahin bestehende
,,Gültigkeit" aufhebt.
Das ist die zweite, sozusagen objektiv gegründete, mögliche
Art des Irrtums in Sachen der Naturwirklichkeit, die sich von
der bloß subjektiven, aus dem Nicht-klar-Wissen entspringenden,
als die bei weitem tiefere, ganz scharf scheidet.
Alan hat sie nicht gesehen, so scheint mir, weil man sich sie
zu sehen sträubt. Und man sträubt sich sie zu sehen, weil, wenn
man sie zuläßt, alles Voraussagen in Sachen des Naturseins
und Naturgeschehens allerdings eine zweifelhafte Sache wird. Aber
gibt jeder ,,Phylogenetiker" im Gebiete der Biologie und jeder
Historiker, der in den Bahnen von Herdcr, Hegel oder
Breysig denkt, sie nicht eigentlich implicite zu, wenigstens für
gesonderte Gebiete des Naturwirklichen ? Werden die viel be-
sprochenen ,,historischen Gesetze", wie sie in den soziologischen
Begriffen und Urteilen, im Sinne von sich
ausgedrükt finden, nicht eben deshalb als etwas zwar nicht
Unrichtiges, aber doch sozusagen Zweites angesehen, weil es
sich bei ,,Geschichte" eben in erster Linie um die Ermitte-
lung einer überpersönlichen einmaligen Entwicklung handeln soll ?
Docli bildet diese kurze Darlegung nur so etwas wie einen
Anhangi zu dem eigentlichen Gegenstand unserer Untersuchung,
und es mag zum Schluß nur noch gesagt sein, wie in Sonderheit
i Vgl. meinen Aufsatz in üogos 7F, 1913, Seite 62, und
Seite 252 ff.
H. Driesch:
setzen durch die Zeit hin, anders gesagt: Unabhängigkeit der
Naturgesetze von der Zeit, vorauszusetzen aber ist so weit ent-
fernt davon ein Ur-Postulat der Natur-Logik zu sein, daß diese
Voraussetzung vieimehr dem Begriff einer Evhuuc/chwg des Natur-
ganzen, der denn doch wahriich ein legitimer Ordnungsbegriff
ist, durchaus widerspricht.
,,Es gibt" auf bestimmte Zeit hin gtdtige ,,Gesetze" in der
Natur. Gut — das ist jedenfads bis jetzf so gewesen. Wir ver-
stehen nicht, weshalb es so gewesen ist, und wir wissen ganz und
gar nicht, daß es so zu sein braucht.
Wir können also mit Rücksicht auf den Giauben an die
GhJhgAeh von Naturbegriffen, weil, obschon wir ,,alle" Fälle
in Vergangenheit und Gegenwart kannten, doch eine
Gültigkeit für die Zukunft nicht besteht — denn in der Zukunft
gibt es einmal einen Entwicklungsschritt, der bis dahin bestehende
,,Gültigkeit" aufhebt.
Das ist die zweite, sozusagen objektiv gegründete, mögliche
Art des Irrtums in Sachen der Naturwirklichkeit, die sich von
der bloß subjektiven, aus dem Nicht-klar-Wissen entspringenden,
als die bei weitem tiefere, ganz scharf scheidet.
Alan hat sie nicht gesehen, so scheint mir, weil man sich sie
zu sehen sträubt. Und man sträubt sich sie zu sehen, weil, wenn
man sie zuläßt, alles Voraussagen in Sachen des Naturseins
und Naturgeschehens allerdings eine zweifelhafte Sache wird. Aber
gibt jeder ,,Phylogenetiker" im Gebiete der Biologie und jeder
Historiker, der in den Bahnen von Herdcr, Hegel oder
Breysig denkt, sie nicht eigentlich implicite zu, wenigstens für
gesonderte Gebiete des Naturwirklichen ? Werden die viel be-
sprochenen ,,historischen Gesetze", wie sie in den soziologischen
Begriffen und Urteilen, im Sinne von sich
ausgedrükt finden, nicht eben deshalb als etwas zwar nicht
Unrichtiges, aber doch sozusagen Zweites angesehen, weil es
sich bei ,,Geschichte" eben in erster Linie um die Ermitte-
lung einer überpersönlichen einmaligen Entwicklung handeln soll ?
Docli bildet diese kurze Darlegung nur so etwas wie einen
Anhangi zu dem eigentlichen Gegenstand unserer Untersuchung,
und es mag zum Schluß nur noch gesagt sein, wie in Sonderheit
i Vgl. meinen Aufsatz in üogos 7F, 1913, Seite 62, und
Seite 252 ff.