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H. V. SCHUBERT:
866 konnte Hinkmar ganz merkwürdige Dinge in seine westfrän-
kischen Annalen eintragen: bei seinem König, Karl dem Kahlen,
war eine Gesandtschaft Ludwigs eingetroffen mit der Bitte um
heifige Gefäße, Gewänder und Bücher für den Bulgarenkönig, von
dessen Ubertritt und göttficher Bewahrung vor dem empörten
Volke man Wunderdinge erzählte, nun wünsche er einen Bischof
und Presbyter von Ludwig. Also doch abendfändisch-fränkischer
Christ! Ludwig behandelte es sehr ernst, wie eine große Sache
des Reichs, und schickte den in solchen Missionsdingen erfahrenen
Bischof Ermanrich von Passau in stattlicher Begleitung mit den
Gaben des ganzen Frankenreichs dorthinL
Da trat pfötzlich, überraschend die dritte Macht auf den
Plan mit starken Schritten, Rom — nicht mehr das Rom Leos IfL,
der sich von Karl dem Großen in die Roffe des betenden Moses
hatte verweisen fassen müssen, sondern das Rom Nikolaus I., der
den langsamen seit Karls Tod mit zäher Ausdauer verfolgten Auf-
stieg des Papsttums krönte. Es war gelungen, die enge Verhin-
dung, die die Karofinger mit der Kirche geschlossen hatten, zugun-
sten der eigenen Herrschaft zu wenden. Nikolaus ist der Papst,
der die Machtfülle des universalen Papsttums auf der Höhe des
Mittelafters über die neue europäische Völkerwelt zuerst ahnen
läßt. Imperatorem totius mundi se facit, meinten fränkische Erz-
hischöfe von ihm^. Er hat die Könige und Präfaten des Westens
gebeugt, aber sich auch nicht gescheut, den schwierigsten Teil
des alten Programms noch einmal aufzunehmen, die Beugung
auch des Ostens, obgleich dieser jetzt durch einen so klugen und
hohen Geist wie Photius vertreten war.
So klug und hoch dieser Geist war, er hatte gerade gegenüber
den Bulgaren versagt und Nikolaus damit die Handhabe gegeben,
an diesem empfindlichen Punkte einzusetzen. Wir haben die red-
selige, langweilige Belehrung cfes Photius an Khan Boris^, ,,das
edle und echte Erzeugnis seiner geistigen Wehen", über Glauben
und Sitte, mitten inne auch über die jenem besonders am Herzen
fiegende Frage eines eigenen bulgarischen Patriarchats. Der ehr-
geizige Fürst konnte es unmöglich als eine hoffnungsvolle Perspek-
^ fbid., Ann. Fuld. ad a. 867 ed. KuRZE, p. 65.
^ Günther v. Köln undThietgaud v. Trier in der Protesturkunde v. 864,
Ann. Bert. ed. WViTz, p. 68.
3 Φωτίου έπίστολκί, ed. 'Ιωκνν. Βοίλέττκς p. 247 (1864), MiGNE, Patr.
gr. 102, 627 ff. (nam. 624), vergl. HERGENRÖTHER, Photius I, 50'lff. (1867).
H. V. SCHUBERT:
866 konnte Hinkmar ganz merkwürdige Dinge in seine westfrän-
kischen Annalen eintragen: bei seinem König, Karl dem Kahlen,
war eine Gesandtschaft Ludwigs eingetroffen mit der Bitte um
heifige Gefäße, Gewänder und Bücher für den Bulgarenkönig, von
dessen Ubertritt und göttficher Bewahrung vor dem empörten
Volke man Wunderdinge erzählte, nun wünsche er einen Bischof
und Presbyter von Ludwig. Also doch abendfändisch-fränkischer
Christ! Ludwig behandelte es sehr ernst, wie eine große Sache
des Reichs, und schickte den in solchen Missionsdingen erfahrenen
Bischof Ermanrich von Passau in stattlicher Begleitung mit den
Gaben des ganzen Frankenreichs dorthinL
Da trat pfötzlich, überraschend die dritte Macht auf den
Plan mit starken Schritten, Rom — nicht mehr das Rom Leos IfL,
der sich von Karl dem Großen in die Roffe des betenden Moses
hatte verweisen fassen müssen, sondern das Rom Nikolaus I., der
den langsamen seit Karls Tod mit zäher Ausdauer verfolgten Auf-
stieg des Papsttums krönte. Es war gelungen, die enge Verhin-
dung, die die Karofinger mit der Kirche geschlossen hatten, zugun-
sten der eigenen Herrschaft zu wenden. Nikolaus ist der Papst,
der die Machtfülle des universalen Papsttums auf der Höhe des
Mittelafters über die neue europäische Völkerwelt zuerst ahnen
läßt. Imperatorem totius mundi se facit, meinten fränkische Erz-
hischöfe von ihm^. Er hat die Könige und Präfaten des Westens
gebeugt, aber sich auch nicht gescheut, den schwierigsten Teil
des alten Programms noch einmal aufzunehmen, die Beugung
auch des Ostens, obgleich dieser jetzt durch einen so klugen und
hohen Geist wie Photius vertreten war.
So klug und hoch dieser Geist war, er hatte gerade gegenüber
den Bulgaren versagt und Nikolaus damit die Handhabe gegeben,
an diesem empfindlichen Punkte einzusetzen. Wir haben die red-
selige, langweilige Belehrung cfes Photius an Khan Boris^, ,,das
edle und echte Erzeugnis seiner geistigen Wehen", über Glauben
und Sitte, mitten inne auch über die jenem besonders am Herzen
fiegende Frage eines eigenen bulgarischen Patriarchats. Der ehr-
geizige Fürst konnte es unmöglich als eine hoffnungsvolle Perspek-
^ fbid., Ann. Fuld. ad a. 867 ed. KuRZE, p. 65.
^ Günther v. Köln undThietgaud v. Trier in der Protesturkunde v. 864,
Ann. Bert. ed. WViTz, p. 68.
3 Φωτίου έπίστολκί, ed. 'Ιωκνν. Βοίλέττκς p. 247 (1864), MiGNE, Patr.
gr. 102, 627 ff. (nam. 624), vergl. HERGENRÖTHER, Photius I, 50'lff. (1867).