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L. TROJE:
Yon den Gegensätzen lebend und tot hat man auszugehen, um hier
dem Wortsinn gerecht zu werden, hinter dem eine weitverbreitete
bestimmte Anschauung der Zeit steht. Lebend wird der Leib ge-
nannt, den Adam bei der Erschaffung erhalten hat. Charakteristisch
für diesen Leib ist, daß er keine körperlichen Bedürfnisse kenntL
Nach dem Sündenfali heißt Adams Leib tot; dieser tote Leib be-
darf der irdischen Speise. Lebend und tot sind also nicht Begriffe,
die in bezug auf den Körper geprägt sind; gerade der hungernde
und sich sättigende Körper müßte sonst der lebende heißen. Viel-
mehr bedeutet nach jenem hellenistischen Maßstab, der das Geistige
gleich göttlich und gut und das Körperliche gleich menschlich
und schlecht setzH, ,,Iebend" nur das nicht dem Körper, sondern
dem Geistigen, dem Göttlichen zukommende unsterbliche Leben
und ,,tot" das sterbliche körperliche Dasein. Befremdend, aber
ebenfalls völlig zeitgemäß ist dabei besonders die Vorstellung, daß
der Mensch schon bei Lebzeiten beide Möglichkeiten hat, die der
körperlichen Bedürfnisse und die der Bedürfnislosigkeit. Es ist
das eine Hilfsvorstellung, die, ein postuliertes Merkmal der Gött-
lichkeit (die Bedürfnislosigkeit) mit der Sache (der Göttlichkeit)
ganz gleich setzend und kühn von jenem auf diese schließend, die
heiß ersehnte Angleichung an die Natur der Gottheit für den
Menschen ins Bereich der Möglichkeit rückt. Ist die körperliche
Bedürfnislosigkeit das Entscheidende, so kann derMensch sich durch
Abgewöhnung der körperlichen Bedürfnisse die Göttlichkeit grad-
weise erwerben, wie es Zweck und Ziel der Askese war, aber er
kann auch durch göttliche Gnade mit einer solchen höheren (geisti-
gen) Natur von vornherein begabt ein 9-εΐος &νΕρωπος sein; an der
körperlichen Bedürfnislosigkeit ist er dann als solcher zu erken-
^ Auch die Himmelsspeise wird nicht eigentlich als substantielle aufzu-
fassen sein. Ausdrücidich bezeichnet Ephraim (AssEMANi 111 590 AB) den
Samen aller dessen, was im Paradiese wächst, mit dem lange mißverstandenen
Wort 'vernünftig' (= λογικός). Vgl. zur Erklärung dieses technischen Aus-
drucksfürdasNichtwirkliche, nur geistigAufzufassende R. REiTZENSTEiv,
Zü'e AeHenLn'scAen dii/siiei'Lni-eü'gionen S. 155 f. — Jedenfalls scheint im
äthiop. Adambuch die Klage Adams eine christliche Korrektur des heid-
nischen Glaubens zu enthalten, daß selbst die Götter sich ihre Unsterblichkeit
nur durch Unsterblichkeitsspeise sichern können. Wahre Unsterblichkeit,
will die Legende lehren (entgegen der altbabylonischen, ägyptischen, griechi-
schen Tradition), bedarf überhaupt keiner Hilfsmittel.
^ Vgl. Paulus 1. Kor. 15 und dazu R. REiTZENSTEiN, Dfe
ftiysterienre/igionen S. 160ff.
L. TROJE:
Yon den Gegensätzen lebend und tot hat man auszugehen, um hier
dem Wortsinn gerecht zu werden, hinter dem eine weitverbreitete
bestimmte Anschauung der Zeit steht. Lebend wird der Leib ge-
nannt, den Adam bei der Erschaffung erhalten hat. Charakteristisch
für diesen Leib ist, daß er keine körperlichen Bedürfnisse kenntL
Nach dem Sündenfali heißt Adams Leib tot; dieser tote Leib be-
darf der irdischen Speise. Lebend und tot sind also nicht Begriffe,
die in bezug auf den Körper geprägt sind; gerade der hungernde
und sich sättigende Körper müßte sonst der lebende heißen. Viel-
mehr bedeutet nach jenem hellenistischen Maßstab, der das Geistige
gleich göttlich und gut und das Körperliche gleich menschlich
und schlecht setzH, ,,Iebend" nur das nicht dem Körper, sondern
dem Geistigen, dem Göttlichen zukommende unsterbliche Leben
und ,,tot" das sterbliche körperliche Dasein. Befremdend, aber
ebenfalls völlig zeitgemäß ist dabei besonders die Vorstellung, daß
der Mensch schon bei Lebzeiten beide Möglichkeiten hat, die der
körperlichen Bedürfnisse und die der Bedürfnislosigkeit. Es ist
das eine Hilfsvorstellung, die, ein postuliertes Merkmal der Gött-
lichkeit (die Bedürfnislosigkeit) mit der Sache (der Göttlichkeit)
ganz gleich setzend und kühn von jenem auf diese schließend, die
heiß ersehnte Angleichung an die Natur der Gottheit für den
Menschen ins Bereich der Möglichkeit rückt. Ist die körperliche
Bedürfnislosigkeit das Entscheidende, so kann derMensch sich durch
Abgewöhnung der körperlichen Bedürfnisse die Göttlichkeit grad-
weise erwerben, wie es Zweck und Ziel der Askese war, aber er
kann auch durch göttliche Gnade mit einer solchen höheren (geisti-
gen) Natur von vornherein begabt ein 9-εΐος &νΕρωπος sein; an der
körperlichen Bedürfnislosigkeit ist er dann als solcher zu erken-
^ Auch die Himmelsspeise wird nicht eigentlich als substantielle aufzu-
fassen sein. Ausdrücidich bezeichnet Ephraim (AssEMANi 111 590 AB) den
Samen aller dessen, was im Paradiese wächst, mit dem lange mißverstandenen
Wort 'vernünftig' (= λογικός). Vgl. zur Erklärung dieses technischen Aus-
drucksfürdasNichtwirkliche, nur geistigAufzufassende R. REiTZENSTEiv,
Zü'e AeHenLn'scAen dii/siiei'Lni-eü'gionen S. 155 f. — Jedenfalls scheint im
äthiop. Adambuch die Klage Adams eine christliche Korrektur des heid-
nischen Glaubens zu enthalten, daß selbst die Götter sich ihre Unsterblichkeit
nur durch Unsterblichkeitsspeise sichern können. Wahre Unsterblichkeit,
will die Legende lehren (entgegen der altbabylonischen, ägyptischen, griechi-
schen Tradition), bedarf überhaupt keiner Hilfsmittel.
^ Vgl. Paulus 1. Kor. 15 und dazu R. REiTZENSTEiN, Dfe
ftiysterienre/igionen S. 160ff.