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L. TROJE:
So erzählt die Apokalypse Moses: ,,die Schlange tat aber an
die Frucht das Gift ihrer Bosheit, d. h. ihrer Begierde, denn Begierde
ist der Anfang aller Sünde". Dieser kapitale Gedanke, heimlich
Adam und Eva das Schlangengift — in ethischer Umdeutung auf
die Begierde — als magischen Impfstoff vermitteln zu lassenh, be-
dessen, der mit ihm spricht, merkt auf und lernt griechisch
reden — so fuhr der Satan in die Schiange und rief Eva hei
ihrem Namen, und als sie sich umwandte, da sah sie in ihm ihr
Biid ! (Auch im äthiop. Buch Klementin. Schriften sieht Eva in der Satan-
schiange ihr Biid, BEzoLD S. 73 Anm. 35). Mir scheint — eine ganze Reihc
paraileier Bestrebungen in der Schatzhöhle stützen diese Vermutung —, daß
dieser überraschend geistvoile, fast danteske Text einer tendenziösen Absicht
dient: es soil dadurch eines der verhaßten hellenistischen Kuitbiider ver-
dächtig't werden, nämlich die aufgerichtete Schiange mit dem weiblichen
Oberkörper, die hellenistische Isis-Thermutis (Abb. bei Em\iAN, Ä'gypi.
Reügiou^ S. 246; W. WEBER, Dfe agT/pi.-g/u'ecA. Pe/7-oA*oMe// II S. 42ff. und
I Taf. III; DATTARi, A^M/u/ Augg. AZeira/ui/u'ui Taf. XI 483 und XVII 3476)
—- sei es nun, daß die Polemik dieser direkt gelten soiite oder ihren, sicher
nicht ohne Beziehung zu ihr zu denkenden Gegenbildern in der Gnosis (s. das
dritte Prinzip des Justin, Hippoi. re/ui. X 15, oben Jungfrau, unten Schlange;
Schiangengestalt eignet auch der mannweiblichen Ruach, der Sophia bei den
,,Gnostikern" des Irenäus (I 30), vgl. W. WEBER S. 47 Anm. 37). Kaum
eine der zahilosen Umdeutungen der christiichen Tendenz kann so überzeugend
gewirkt haben wie diese Erklärung der heidnischen Mischgestait als ver-
suchender Satan; wobei sich das prinzipieii von den Christen behauptete
Hineinfahren des Satans in Götzenbilder (s. ob. S. 40 Anm. 2, vgl. auch Schatz-
höhle, BEZOLD S. 32) so ausgezeichnet motivieren und mit ältester Tradition
verbinden iieß. — Die spätere christiiche Kunst aber, die sich so manches
Motiv aus der frühen christlich-syrischen Literatur geholt hat, freute sich
an dem hübschen Gedanken und kopierte den Frauenkopf der Schlange stets
getreu nach dem der Eva. Fails aiso H. GREssMANxs Behauptung, daß Eva
ursprünglich eine phönikische Totengöttin war und darum schlangengestaitig
(diyiAo/og*. Aesie &/' ParaJieseseT'zü'/ÜMng S. 359; vgl. NöLDEEE, Zeüsc/u'. <ie/-
D. diorg. Ges. 42, 1888 S.487, und BAUDissiN, A<iou/s M////K'smM/r, Leipzig
1911 S. 485; diese letzteren Hinweise nach BEzoLD) zu Recht besteht, so
wäre ihr in der syrischen Legende und dann in der christlichen Kunst durch
eine Kette von Zufällen ihre angestammte Gestait zurückgegeben worden.
^ Da gerade die Apokalypse Moses es ist, welche in Fortsetzung der in
E1 Bagauat dargestellten Schilderung diese Vorstellung bringt, so ist es ver-
lockend, sich auch die eventuelle zweite Wiedergabe der Schlange auf dem
Fresko in dies^n bedeutsamen Gedankengang gestellt zu denken. Nach dem
Text wird der Satan in Schlangengestalt von Eva ins Paradies hineingelassen,
geht zum Baum, steigt hinauf und vergiftet die Frucht. Die Schlange arn
AVeinstock wäre demnach hinter dem Rücken Evas gerade im Begriff, die
Trauben zu infizieren. — Der gieiche Gedanke findet sich, allerdings durcli
die Beziehung auf die Person des Satan verkünstelt, in den apokryphen Fragen
L. TROJE:
So erzählt die Apokalypse Moses: ,,die Schlange tat aber an
die Frucht das Gift ihrer Bosheit, d. h. ihrer Begierde, denn Begierde
ist der Anfang aller Sünde". Dieser kapitale Gedanke, heimlich
Adam und Eva das Schlangengift — in ethischer Umdeutung auf
die Begierde — als magischen Impfstoff vermitteln zu lassenh, be-
dessen, der mit ihm spricht, merkt auf und lernt griechisch
reden — so fuhr der Satan in die Schiange und rief Eva hei
ihrem Namen, und als sie sich umwandte, da sah sie in ihm ihr
Biid ! (Auch im äthiop. Buch Klementin. Schriften sieht Eva in der Satan-
schiange ihr Biid, BEzoLD S. 73 Anm. 35). Mir scheint — eine ganze Reihc
paraileier Bestrebungen in der Schatzhöhle stützen diese Vermutung —, daß
dieser überraschend geistvoile, fast danteske Text einer tendenziösen Absicht
dient: es soil dadurch eines der verhaßten hellenistischen Kuitbiider ver-
dächtig't werden, nämlich die aufgerichtete Schiange mit dem weiblichen
Oberkörper, die hellenistische Isis-Thermutis (Abb. bei Em\iAN, Ä'gypi.
Reügiou^ S. 246; W. WEBER, Dfe agT/pi.-g/u'ecA. Pe/7-oA*oMe// II S. 42ff. und
I Taf. III; DATTARi, A^M/u/ Augg. AZeira/ui/u'ui Taf. XI 483 und XVII 3476)
—- sei es nun, daß die Polemik dieser direkt gelten soiite oder ihren, sicher
nicht ohne Beziehung zu ihr zu denkenden Gegenbildern in der Gnosis (s. das
dritte Prinzip des Justin, Hippoi. re/ui. X 15, oben Jungfrau, unten Schlange;
Schiangengestalt eignet auch der mannweiblichen Ruach, der Sophia bei den
,,Gnostikern" des Irenäus (I 30), vgl. W. WEBER S. 47 Anm. 37). Kaum
eine der zahilosen Umdeutungen der christiichen Tendenz kann so überzeugend
gewirkt haben wie diese Erklärung der heidnischen Mischgestait als ver-
suchender Satan; wobei sich das prinzipieii von den Christen behauptete
Hineinfahren des Satans in Götzenbilder (s. ob. S. 40 Anm. 2, vgl. auch Schatz-
höhle, BEZOLD S. 32) so ausgezeichnet motivieren und mit ältester Tradition
verbinden iieß. — Die spätere christiiche Kunst aber, die sich so manches
Motiv aus der frühen christlich-syrischen Literatur geholt hat, freute sich
an dem hübschen Gedanken und kopierte den Frauenkopf der Schlange stets
getreu nach dem der Eva. Fails aiso H. GREssMANxs Behauptung, daß Eva
ursprünglich eine phönikische Totengöttin war und darum schlangengestaitig
(diyiAo/og*. Aesie &/' ParaJieseseT'zü'/ÜMng S. 359; vgl. NöLDEEE, Zeüsc/u'. <ie/-
D. diorg. Ges. 42, 1888 S.487, und BAUDissiN, A<iou/s M////K'smM/r, Leipzig
1911 S. 485; diese letzteren Hinweise nach BEzoLD) zu Recht besteht, so
wäre ihr in der syrischen Legende und dann in der christlichen Kunst durch
eine Kette von Zufällen ihre angestammte Gestait zurückgegeben worden.
^ Da gerade die Apokalypse Moses es ist, welche in Fortsetzung der in
E1 Bagauat dargestellten Schilderung diese Vorstellung bringt, so ist es ver-
lockend, sich auch die eventuelle zweite Wiedergabe der Schlange auf dem
Fresko in dies^n bedeutsamen Gedankengang gestellt zu denken. Nach dem
Text wird der Satan in Schlangengestalt von Eva ins Paradies hineingelassen,
geht zum Baum, steigt hinauf und vergiftet die Frucht. Die Schlange arn
AVeinstock wäre demnach hinter dem Rücken Evas gerade im Begriff, die
Trauben zu infizieren. — Der gieiche Gedanke findet sich, allerdings durcli
die Beziehung auf die Person des Satan verkünstelt, in den apokryphen Fragen