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WlLHELM SOLTAU:
Die prinzipielle Unterscheidung derartiger Abänderungen und
fremdartiger Einlagen zu treffen, ist leichter, als mit Sicherheit
im einzelnen zu bestimmen, welcher Gattung die fremdartigen
Bestandteile angehören, die in das jetzige Evangelium geraten sind.
Gleichwohl liegt in einer sofchen Konfundierung der verschiedenen
Arten von späteren Einlagen der Hauptmangel der bisherigen
Johanneischen Kritik. Auf der einen Seite herrscht hier ein über-
triebener Konservatismus, der die unglaublichsten Widersprüche
ein uncf demselben Verfasser, wo nicht gar einem bestimmten
Jünger Jesu zumutet. Daneben aber führen die oft scharfsinnigen
Erörterungen von WELLHAUSEN und ScHWARTZ nicht seften dahin,
daß man den festen Boden unter den Füßen verliert und nicht
weiß, inwieweit Änderungen durch den Evangelisten, den Continu-
ator oder eine untergeordnete Persönlichkeit erfolgt sind. Hier
müssen erst hestimmte Gesichtspunkte gewonnen werden, um die
Arten der Umgestaltungen auseinanderzuhalten. Es ist z. B.
relativ feicht, die äußerlich eingelegten Redeschichten auszuschei-
den. Schwerer aber ist es schon, die tendenziösen Zusätze des
Continuators von anderen, oft ungeschickteren Zusätzen einer
späteren fnterpolation zu trennen. Ehrd am schwierigsten ist
es jedenfalls, die Abänderungen, welche der Evangelist an dem
überkommenen Stoff vorgenommen hat, von denjenigen zu schei-
den, die eine spätere Hand verschuldet hat. Das hat kein anderer
als WELLHAUSEN selbst klar erkannt, wenn er KruWü u. Awb. 37
die große Unsicherheit hervorhebt, die im einzelnen über die
Herkunft der Umänderungen besteht. Bei wichtigen Fäilen
schwankt auch er, ob der Evangelist oder ein späterer fnterpofator
tätig gewesen ist. Ja, er rechnet infolge dieser Unsicherheit bei der
Erklärung einzefner Fälle sogar mit der Möglichkeit, daß unser
Evangelium noch eine spätere Überarbeitung durch den Briefschrei-
ber von f Joh. erhalten liabe.
Gegenüber solchem Hin- und Herschwanken der kritischen
Ergebnisse ist es notwendig, in erster Linie ali das festzustelfen,
was mit großer Sicherheit als bloße äußerliche fnterpofation zu
erkennen ist.
1. Als fnterpolationen und Textesänderungen durch Ab-
schreiber und fnterpreten müssen folgende Stellen gelten:
a) 1, 15 ist identisch mit 1, 30f. An letzterer Stelie, die auf
1, 27 verweist, ist es notwendig, an ersterer nicht.
WlLHELM SOLTAU:
Die prinzipielle Unterscheidung derartiger Abänderungen und
fremdartiger Einlagen zu treffen, ist leichter, als mit Sicherheit
im einzelnen zu bestimmen, welcher Gattung die fremdartigen
Bestandteile angehören, die in das jetzige Evangelium geraten sind.
Gleichwohl liegt in einer sofchen Konfundierung der verschiedenen
Arten von späteren Einlagen der Hauptmangel der bisherigen
Johanneischen Kritik. Auf der einen Seite herrscht hier ein über-
triebener Konservatismus, der die unglaublichsten Widersprüche
ein uncf demselben Verfasser, wo nicht gar einem bestimmten
Jünger Jesu zumutet. Daneben aber führen die oft scharfsinnigen
Erörterungen von WELLHAUSEN und ScHWARTZ nicht seften dahin,
daß man den festen Boden unter den Füßen verliert und nicht
weiß, inwieweit Änderungen durch den Evangelisten, den Continu-
ator oder eine untergeordnete Persönlichkeit erfolgt sind. Hier
müssen erst hestimmte Gesichtspunkte gewonnen werden, um die
Arten der Umgestaltungen auseinanderzuhalten. Es ist z. B.
relativ feicht, die äußerlich eingelegten Redeschichten auszuschei-
den. Schwerer aber ist es schon, die tendenziösen Zusätze des
Continuators von anderen, oft ungeschickteren Zusätzen einer
späteren fnterpolation zu trennen. Ehrd am schwierigsten ist
es jedenfalls, die Abänderungen, welche der Evangelist an dem
überkommenen Stoff vorgenommen hat, von denjenigen zu schei-
den, die eine spätere Hand verschuldet hat. Das hat kein anderer
als WELLHAUSEN selbst klar erkannt, wenn er KruWü u. Awb. 37
die große Unsicherheit hervorhebt, die im einzelnen über die
Herkunft der Umänderungen besteht. Bei wichtigen Fäilen
schwankt auch er, ob der Evangelist oder ein späterer fnterpofator
tätig gewesen ist. Ja, er rechnet infolge dieser Unsicherheit bei der
Erklärung einzefner Fälle sogar mit der Möglichkeit, daß unser
Evangelium noch eine spätere Überarbeitung durch den Briefschrei-
ber von f Joh. erhalten liabe.
Gegenüber solchem Hin- und Herschwanken der kritischen
Ergebnisse ist es notwendig, in erster Linie ali das festzustelfen,
was mit großer Sicherheit als bloße äußerliche fnterpofation zu
erkennen ist.
1. Als fnterpolationen und Textesänderungen durch Ab-
schreiber und fnterpreten müssen folgende Stellen gelten:
a) 1, 15 ist identisch mit 1, 30f. An letzterer Stelie, die auf
1, 27 verweist, ist es notwendig, an ersterer nicht.