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Soltau, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 6. Abhandlung): Das vierte Evangelium in seiner Entstehungsgeschichte dargelegt — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34077#0012
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12

WlLHELM SOLTAU:

auf 12, 1 verweist, von Ev. herstammt, so ist das doch unmög-
lich bei 12, 1; 12, 9—10; 12, 18—19; 13, 1—3, die bestimmt darauf
hinführen, daß hier der Ev. frühere Erzählungen durch Übergänge
oder erklärende Bemerkungen mit seinen Quellenberichten zu
verbinden suchte.
Noch weniger ist an eine Einschaltung von fremder Hand bei
den größeren Einiagen zu denken, welche die Erzählung pneumatisch
erklären oder ahegorisch umdeuten wollen. Die bekanntesten und
charakteristisch für den Evangelisten sind 4, 10—15; 4, 31—39;
6, 25—30. Jesus leidet auf der Reise durch Samarien Hunger und
Durst; er bittet zur Stillung des Durstes das Weib um Wasser
und schickt seine Jünger in die Stadt, um Speise zu holen. Statt
diesen einfachen Gedanken festzuhalten, redet aher Jesus 4, 14
von einem geistigen Wasser, das den Durst nicht mehr aufkommen
läßt, und 6, 25 ganz entsprechend von einer Speise, die das ewige
Leben wirken solle.
Ebenso unmotiviert, aber ganz im Sinne des Evangelisten,
wird 9, 5 die Bemerkung eingeschoben, daß sich Jesus als stetig
wirkender das Licht der Welt nennt. Bei den meisten Original-
schriftsteliern wäre eine solche Durchsetzung der Erzählung mit
spirituehen Bemerkungen unerhört. Sie sind eben wie in capp.
4 und 6, so auch hier ein Anzeichen dafür, daß der Ev. einen vor
ihm Hegenden Text überarbeitet und mit seinen eigenen Ideen
durchsetzt hat.
An manchen SteHen hat das gleiche Bestreben, der Erzählung
eine tiefere Bedeutung abzugewinnen, den Ev. dazu veranlaßt,
der nächsthegenden Erklärung eine zweite hinzuzufügen. Solche
Fälle haben HoLTZMANN-BAUER (Kommentar 3f.) aufgezählt.
Besonders bezeichnend sind 2, 17—22: nachdem dort die Jünger
zur Entschuldigung von Jesu Verfahren bei der Tempelreinigung
auf Ps. 69, 10 hingewiesen hatten, erwähnte nach dem Evange-
Hsten Jesus, er wolle den Tempel in 3 Tagen niederreißen und einen
neuen aufbauen, und fügte dem eine doppelte Deutung hinzu:
die nächstliegende, welche das Volk verstanden hatte, und daneben
2, 22 eine zweite, für das pneumatische Verständnis seiner Jünger
herechnete. Auch 18, 9 wie 18, 32 wird zur Begründung der erzähl-
ten Einzelheiten auf Worte der Schrift verwiesen, welche neben
dem nächstliegenden Sinn des Gesagten auf seinen tieferen Gehait
hinweisen sollen. Diese und ähnliche Bemerkungen geben nicht
nur Zeugnis von der pneumatischen Auffassung des Evangehsten,
 
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