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Soltau, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 6. Abhandlung): Das vierte Evangelium in seiner Entstehungsgeschichte dargelegt — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34077#0017
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Das vierte Evangelium.

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soll — viele synoptische Ideen mitverwertet haben, in scharfem
Gegensatz zur Christologie der Svnoptiker stehen und auch sonst
eine ganz andere dogmatische Auffassung vertreten als diese.
Zunächst ein Wort über die synoptische Grundlage von R.
Wie eigenartig auch diese Reden sind: ein großer Teil ist nicht
etwa in dem Sinne original, daß er eigene Erinnerungen an Logia
Jesu enthalte. Ihr Inhalt beruht vielmehr auf den Gleichnisreden,
welche sc.hon die Synoptiker geboten hatten.
So 5, 19—47 neben Joh. 3, 36, Matth. 11, 27; 25, 31 f.; 6,
32—63: Matth. 26, 26 (1. Kor. 11, 23 f.); 10, 1—18: Matth. 18, 12
(Luc. 15, 31); 15, 1—8: Matth. 20, If.
Alehrfach ist dabei das, was in Jesu Parabel auf Gott bezogen
war, auf Jesu selbst übertragen. Schon in der Parabel Matth. 25,
31 f. erscheint Jesus ais der von Gott eingesetzte, ihn vertretende
Weltenrichter. Ferner bezeichnet sich Jesus selbst an Stelle des
fürsorgenden Gottes (Matth. 18, 13 f.) als guten Hirten. Gott ist
zwar der Weingärtner der Parabel 15, 1, aber Jesus spielt Joh.
15, lf. die Hauptrolle. Uberall sind die synoptischen Alotive ange-
bracht, aber doch namentlich da verwandt, wo spätere dogmatische
sich mit den ursprünglich bildlichen Vorstellungen verbunden
haben. So besonders noch bei der Durchführung des Rildes vom
Brot des Lebens (6, 32 f.). Hier tritt zu den Einsetzungsworten
des Abendmahls Alatth. 26, 26 die paulinische Idee hinzu, daß im
Brot der wahrhaftige Leib des Herrn genossen wird; als das Brot
des Lebens (Joh. 6, 35) wird Jesus, der den Gläubigen das ewige
Leben verleiht (6, 47—48) in die Sphäre des Supranaturalismus
versetzt. Am meisten aber 5, 19—47, wo die Idee von der innigen
Verbindung Jesu mit Gott, indem die herrliche Allegorie Matth.
25, 31 f. wörtlich genommen wird (Joh. 5, 25f.), zur realen Wirk-
lichkeit umgestaltet erscheint. Jesus ist es, der hier die Toten
erweckt; er hat nach Joh. von Gott die Macht bekommen, das
Gericht über alle Menschen zu halten.
Diese Gleichsetzung der Alacht des eingeborenen Sohnes mit
der des Vaters heruht aber bei Johannes nicht allein auf den synop-
tischen Parabeln, sondern vielmehr auf den weitergehenden Aus-
führungen des ,,christologischen Gemeindebekenntnisses", wie es
dem vierten Evangelium eigen ist: 3, 16—22 und 3, 35—36; vor
allem auf den Schlußworten: ,,Der Vater hat den Sohn lieb und hat
ihm alles in seine Hand gegeben. Wer an den Sohn glaubt, der
hat das ewige Leben." In diesem christologischen Gemeinde-

Sitzungsberichte d. Heideib. Akademie, phiios.-hist. Ki. 1916. 6. Abh.

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