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Soltau, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 6. Abhandlung): Das vierte Evangelium in seiner Entstehungsgeschichte dargelegt — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34077#0018
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18

WlLHELM SOLTAU:

bekenntnis tritt uns die ganze Eigenart der Johanneischen Glau-
benslehre entgegen. Auf ihm bauen sich die Theorien von Jesu
göttlicher Eigenart auf, welche diese Glaubenslehre so schroff von
der synoptischen Auffassung trennen. Die Übergänge sind in
mancher Hinsicht noch flüssig. Am entschiedensten treten sie in
den rhetorischen Weiterführungen 5, 19f.; 10, 25—30; 12, 45—50;
6, 33; 35; 37 hervor, wie auch in den Grundanschauungen der
Abschiedsreden: 16, 5—15; 17, lf., sowie 1, 51; 3, 13—14.
Dieser dogmatische Standpunkt von R, vor allem in 1, 1—18Q
3, 13—22; 31—36; 5, 19f.; 6, 32f.; 12, 44—50 ist es, welcher trotz
der synoptischen Herkunft der AHegorien eine tiefe Kluft zwischen
ihnen und den Synoptikernhervorgerufen haÜ; sie macht uns klar,
daß beide nicht ursprünglich einer und derselben originalen Quefle
angehört haben können. Sie sind äußeriich aneinander und inein-
ander geschoben, nicht zu einer neuen organischen Einheit ver-
bunden. Am deutlichsten tritt die gnostische Anschauung von einem
überirdischen geistigen Wesen Jesu im Prolog, 1,1—18 (wozu auch
die Verse 3, 13—14 gehören) an den Tag. Der E Johannesbrief
wendet sich schroff gegen diese gnostische Auffassung, als sei
Jesus nur eine Hypostase der Gottheit gewesen, als sei er der
Logos, das die — Eigenschaften, wie sie nur Gott selbst
angehören^. Alle solchen Versuche, das leibliche Dasein Jesu zu
eliminieren oder zu verfiüchtigen, die Gnosis dieses höheren Wesens
an die Stelle der Liebe zu Christo und den Brüdern zu setzen, fin-
den an dem Verf. von I. Joh. einen bewußten Gegner. Wenn nun
in den dogmatischen Grundanschauungen inbezug auf die Person
Jesu und sein Verhältnis zu Gott zwischen R und I. Joh. die
größten Gegensätze auftreten, so ist es nicht zu verwundern, wenn
R speziell in 1, 1—18; 3, 13—36; 5, 19L, 12, 44—50 von den
synoptischen Perikopen, der ,,Grundschrift", auf welcher Joh.
beruht, stark abweichth
Aherdings sind auch in den synoptischen Abschnitten
bei Joh. einige Züge in Jesu Charakterbild ins Übennenschhche
i Die Gedanken von 1, 1—18 sind aus R entnommen, gleichsam als
Aushängeschild vorangestellt.
^ Vgl. SoLTAu: Der e7geMM7-n'gehog77Mn'sc/7e he/'JoAct7^is/-eJeM
in der Zehsc///-. /. wiss. Theoüogie 1910, 341.
3 Hierüber verbreitet sich mein Aufsatz Fe/wan&scha/it zayfschen Ecun-
gehM7??. Muh 7. JohaM7/es&7-ie/ in den Th. Ao M. A7-. 1915, 226; vgi. auch weiter
unten in Teil V.
4 Vgl. ZehscD'. /. tuiss. TAeoüogie 1910, 353.
 
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