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Soltau, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 6. Abhandlung): Das vierte Evangelium in seiner Entstehungsgeschichte dargelegt — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34077#0019
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Das vierte Evangelium.

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weiterentwickeit. Namentlich nimmt 1, 27 die Präexistenz Jesu
schon vor der Taufe der Messias an, von dem der Täufer Zeugnis
ablegte. Seine Wunder sind aber größtenteiis die gleichen wie bei
den drei ersten Evangelien, nur um Weniges potenziert. Ähnlich
steht es mit den spärlichen Legenden, welche früh mit den synopti-
schen Abschnitten verbunden worden sindh Nach ihnen besitzt
Jesus eine höhere, eine prophetische Kenntnis von dem Tun und
WoIIen der Menschen. Nach 2, 11 hat er, wie Ev. hervorhebt,
durch das Wunder in Kana seine Herrlichkeit geoffenbart. Aber
der Jesus dort ist doch demjenigen der Synoptiker verwandter als
dem eingeborenen Sohne Gottes in R. Jesus ist der Meister, der
von Gott gesandte Lehrer; als Messias im jüdischen Sinn gibt er sich
4, 25f. zu erkennen. Aber voneiner erlösendenTätigkeit, von einer
Fürsprache bei Gott, ist in der älteren Grundschrift (vgl. Teil III)
nicht die Rede. Das Hauptmotivvon R: 3,13—22 fehlt völlig. Jesus
als Weltenrichter, als Verleiher des ewigen Lebens ist ihm fremd;
vor allem aber seine Gottähnlichkeit, wo nicht gar Gottgleichheit,
wie sie 3, 35—36; 5, 19L; 12, 44—50 so bestimmt aussprechen.
Eine eigentliche Christologie fehlt den synoptischen Abschnitten
ebenso wie den Legenden. Dagegen sind namentlich letztere
(vor allem 4, 21; 4, 25) durch eine Reinheit des Gottesglaubens aus-
gezeichnet, wie sie bei R vergeblich gesucht wird. Der Gegen-
satz ist hier kontradiktorisch, unvermittelt, und er wird nicht
dadurch beseitigt, daß beide Rerichte in derselben Schrift konta-
miniert zu finden sind.
6. Als Ergänzung hierzu diene noch die Beobachtung, daß R
in den meisten Abschnitten Spuren von Erweiterungen und von
einer Uberarbeitung an sich trägt. Ziemlich unverändert sind
allein 3, 16—22; 15, 1—7; im übrigen ist die Erweiterung der
Themata von R leicht erklärlich: es sind Predigten, welche bei
ihren erbaulichen Zwecken Wiederholungen enthalten mußten.
Inwieweit hier die letzten Bearbeiter noch weiter nachgeholfen
haben, kann jetzt nicht im einzelnen gezeigt werdenh
Aber namentlich bei den Reden in 14—17 sind nachweisbaM
mehrere Autoren, und zwar drei verschiedene Hände tätig
gewesen, und Einsichtige werden leicht erkennen, daß auch 6, 32
* S. darüber unten die Teile III und IV.
2 Sehr wahrscheinlich ist, daß der allerdings abgeschmackte Anfang
der Hirtenparabel 10, lf. erst vom letzten Bearbeiter von R herrührt.
s Vgl. 1916, Nr. 16, S. 251 f.

2*
 
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