Metadaten

Soltau, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 6. Abhandlung): Das vierte Evangelium in seiner Entstehungsgeschichte dargelegt — Heidelberg, 1916

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34077#0032
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
32

WlLHELM SoLTAU:

Gegen diese häretischen Auswüchse wandte sich der I. Johannes-
brief in seiner jetzigen Form mit einem polemischen Teil (1, 1—2,
11) als Einieitung. Namentfich die doketischen Auffassungen von
Jesu Person schienen seinem Verfasser bedenkliche Irrlehren zu
enthalten, gegen die er sich gleich in den ersten Versen des I. Ka-
pitels wendeth
Daneben erhob sich aber auch von außen her, seitens der
römischen Ikirche ein Widerspruch gegen die Christologie von R.
Die letzten Fragen nach den Anlässen, welche zu den Interpola-
tionen des Gontinuators^ sowie zur Hinzufügung von c. 21 geführt
haben, sind nur im Zusammenhang mit der Frage nach der Person
des Autors eines derartigen Evangeliums und mit den Streitigkeiten,
welche hierüber zwischen den kleinasiatischen Gemeinden und der
römischen Kirche entstanden, zu lösen.
Die römische Gemeinde, m deren Mitte nach Petrusberichten^
das Evangelium des Markus entstanden war, glaubte sich umso-
mehr im Besitz des wahren Evangeliums zu befinden, als auch
das Matthaeusevangelium, das auf Markus beruhte, seinen offi-
ziellen Abschluß in Rom erhalten hatte^. Jedenfalls legte man in
Rom nach Einfügung des Petrusstelle 16, 17—19, die um das
Jahr 120 erfolgt ist, das entschiedenste Gewicht darauf, im Besitze
der petrinischen Tradition und damit des wahren, geoffenbarten
Glaubens zu sein, und suchte mit ihrer Hilfe die Opposition der
namentlich in Kleinasien üppig emporschießenden Sekten der
Gnostiker und Montanisten niederzuschlagen^. Natürlich wollten
sich aber die asiatischen Gemeinden diesem Machtwort der rörni-
schen Gemeinde nicht fügen, besonders deshalb nicht, weil auch
sie die Gründung der kirchlichen Ordnungen auf apostolische
Lehren zurückführen zu können glauhten.
Die Frage, wer die größere Autorität für sich zu beanspruchen
hätte, wurde beim Osterstreit akut. Rom trat für die Überlieferung
der synoptischen Evangelien ein, die Kleinasiaten beriefen sich
* Zeüsc/ir. /. pp/ss. TAeoZogZe 1910, 349.
^ TA. ÜY. M. ATc. 1915, 371.
^ Eusebius, 77/sit. ecc. 3, 39.
4 Auf Rom weisen die Petrusstelien (14, 28—31; 16, 17—19; 17, 24—27)
und die Zusätze über Pilatus hin. Letztere sollten wie 17, 33 ein gutes Ver-
hältnis zum römischen Staat anbahnen. Von der Magiererzählung zeigt das
Gleiche der Fund WRiGHTS bei BELSER, Pü/'Zng'e/' 80, 177 f.
S. auch SoLTAU, Pro^ooMiKAueMS in (D^r^sc/zri'b R//)e//i*MMcZe I, S. 11.
s SoLTAU, t/Msere FoMMge//eM 85 f.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften